Revolutionäre Entdeckung
Muss die Geschichte des Alphabets neu geschrieben werden?
23.11.2024 – 04:13 UhrLesedauer: 2 Min.
In einem Grab in Syrien haben Forscher die älteste alphabetische Schrift der Menschheitsgeschichte entdeckt. Sie stellt sie vor ein Rätsel.
Ein Team von Archäologen der Johns Hopkins University hat in Syrien eine semsationelle Entdeckung gemacht, die die Geschichte der Schrift revolutionieren könnte: Vier fingerlange Tonzylinder mit einer mutmaßlich alphabetischen Inschrift, die auf etwa 2.400 v. Chr. entstanden sind. Diese Funde verschieben den Ursprung der Alphabetentwicklung um 500 Jahre und werfen neue Fragen über die Entstehung und Verbreitung von Schriftsystemen auf.
Die Tonzylinder wurden im gut erhaltenen Grab von Tell Umm-el Marra entdeckt, einer der frühesten urbanen Siedlungen im Westen Syriens, berichtet die John-Hopkins-University auf ihrer Webseite. Neben Schmuck, Kochgeschirr und intakter Keramik fanden sich sechs Skelette – und die besagten Zylinder. „Die Perforierungen deuten darauf hin, dass die Zylinder wie Etiketten benutzt wurden, vielleicht um Gefäße zu kennzeichnen oder ihren Besitzer zu identifizieren“, erklärte der leitende Archäologe Glenn Schwartz. Doch das wahre Geheimnis verbirgt sich in der eingeritzten Schrift, die möglicherweise die älteste bekannte Form eines Alphabets ist.
Bislang gingen Wissenschaftler davon aus, dass das Alphabet etwa 1.900 v. Chr. in Ägypten entwickelt wurde. Doch diese Funde, die mithilfe von Kohlenstoffdatierung datiert wurden, deuten auf einen völlig neuen Ursprung hin. „Das verändert unsere Sicht auf die frühen Kommunikationssysteme“, so Schwartz. „Es zeigt, dass die Menschen schon damals mit neuen Technologien experimentierten – und das in einem Gebiet, das bislang nicht als Ursprungsort der Schrift galt.“
Alphabetische Schrift war ein Meilenstein, weil sie komplexe Schriftsysteme vereinfachte und einer breiteren Bevölkerung den Zugang ermöglichte. „Das Alphabet hat die Art verändert, wie Menschen dachten, kommunizierten und lebten“, ergänzt Schwartz. Die neue Entdeckung zeigt, dass dieser Wandel viel früher begann als bislang vermutet.
Das Grab von Umm-el Marra, das im Rahmen eines 16-jährigen Projekts von Johns Hopkins und der Universität Amsterdam untersucht wurde, stammt aus der Frühbronzezeit. Es bietet einen seltenen Einblick in das Leben einer der ersten mittelgroßen Städte in der Region. Der Fund der Zylinder könnte nicht nur die Geschichte der Schrift, sondern auch die der frühen urbanen Gesellschaften neu beleuchten.
„Die Zylinder sind klein, aber ihre Bedeutung ist enorm“, sagt Schwartz. „Wir können aber noch nicht sagen, was genau auf ihnen steht.“