Vor Gericht konfrontiert der Verfassungsschutz die AfD mit ihrem völkischen Nationalismus. Doch die ist darauf vorbereitet: Sie liefert Zeugen.

Es dauert anderthalb Tage, bis sich die Vertreter von AfD und Verfassungsschutz vor dem Oberverwaltungsgericht Münster einmal einig sind: Man sei an einem wichtigen Punkt des Verfahrens angekommen. Denn jetzt gehe es um einen zentralen Vorwurf gegen die AfD: den Volksbegriff, den sie verwende.

Es ist einer von drei Punkten, der maßgeblich zur Einstufung der AfD als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ beim Inlandsgeheimdienst beitrug – ein Label, das die AfD in diesem Berufungsverfahren trotz denkbar schlechter Aussichten gerne wieder loswürde. Zumindest aber will sie verzögern, dass sie schon bald zur „gesichert rechtsextremen Bestrebung“ hochgestuft wird – die Vorbereitungen dazu laufen laut Medienberichten beim Verfassungsschutz bereits.

Die AfD unterscheide zwischen einem Staatsvolk nach rechtlichen Kriterien und einem Volk nach ethnischer Abstammung, stellt der Anwalt des Verfassungsschutzes fest. So aber sehe es das Grundgesetz nicht vor. Sie diskriminiere Deutsche mit Migrationshintergrund und würdige sie zu Menschen zweiter Klasse herab. Und der Anwalt des Verfassungsschutzes liefert Dutzende Zitate von hohen AfD-Funktionären, um die Diskriminierung, den völkischen Nationalismus, zu belegen.

„Wenn sich ein Hund einem Wolfsrudel anschließt. Ist er dann ein Wolf oder bleibt er Hund?“, zitiert der Anwalt des Verfassungsschutzes zum Beispiel einen Tweet von Stephan Protschka, dem bayerischen Landeschef der AfD. Gepostet mit dem Hashtag: #Passbeschenkter. Es folgen viele, viele Zitate von hohen AfD-Funktionären: Alexander Gauland, Maximilian Krah, Emil Sänze, Christina Baum, und immer wieder: Björn Höcke, der die Partei wie kein zweiter ideologisch prägt. Sie kritisieren Nationalmannschaften, die in ihren Augen keine Nationalmannschaften mehr sind. Sie vergleichen Zuwanderer mit Tieren. Sie benutzen rechtsextreme Codewörter und sprechen vom Volkstod, vom großen Austausch, von der Zerstörung des deutschen Volkes durch Zugewanderte.

AfD-Vorstand Reusch spricht jetzt zum ersten Mal

Die AfD kennt den eigenen Rassismus, die Zitate ihrer Funktionäre nur zu gut. Sie begleiten sie schon lange – und nie stärker als in den vergangenen Wochen, nachdem bekannt wurde, dass AfD-Mitglieder mit prominenten Rechtsextremisten die Vertreibung auch deutscher Staatsbürger diskutierten. Die Zustimmungswerte der Partei sind seither gesunken, die Sorge in ihren Reihen groß: Was, wenn ihr Stern nun sinkt? Das Verfahren in Münster ist deswegen ein besonderes Problem für sie. Aber ein Problem, auf das sie sich bestens vorbereitet hat.

Zum ersten Mal im Verfahren ergreift nun Roman Reusch das Wort. Reusch sitzt im Bundesvorstand der AfD, bis 2021 saß er auch für sie im Bundestag. Früher war er Oberstaatsanwalt in Berlin, er galt dort als harter Hund. Bisher hat Reusch in der ersten Reihe des Verfahrens gewartet, aber den jungen Anwalt der Kanzlei Höcker sprechen lassen. Jetzt aber ist es Zeit für den großen Bluff – und den wird Reusch übernehmen. Der Vollblutjurist, das Vollblut-AfD-Mitglied, vom ersten Jahr an.

Reusch beklagt, was man in der AfD so oft beklagt: Dass die Medien nur behaupten, dass die Partei rassistisch sei – dabei sei das gar nicht wahr. Natürlich gebe es in seiner Partei Leute, die „Blech reden“, spielt Reusch die fremdenfeindliche Zitatsammlung herunter. Das wisse er nur zu gut. Aber es gelte die alte Regel: „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen.“

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