Die AfD lässt die Maske fallen. Ihre Spitzenpolitiker planen ein ethnisch weitgehend homogenes Deutschland – gemeinsam mit Verbündeten. Millionen sollen das Land verlassen müssen.
Szene 1: „Remigration jetzt, und zwar millionenfach“, sagt der AfD-Bundestagsabgeordnete Roger Beckamp am Rande einer Demo im September. „Und gerne auch die Herrschaften, die sich besonders laut aussprechen und die im Zweifel alles Deutsche sind und (…) die es besonders toll finden, dass alle, alle bleiben sollen, egal woher, egal warum.“ Von seinen Aussagen verbreitet er ein Video in sozialen Medien.
Szene 2: Rechte Netzwerker treffen sich im November mit dem persönlichen Referenten der AfD-Vorsitzenden, Roland Hartwig, in Potsdam und besprechen die Abschiebepläne. Der Chef der „Identitären Bewegung“ (IB), Martin Sellner, spricht über seine öffentlich bekannten Vorstellungen, auch Millionen von deutschen, aus seiner Sicht nicht ausreichend „assimilierten“ Staatsbürgern durch neue Gesetze und wirtschaftlichen Druck loszuwerden. Das Recherchebüro „Correctiv“ macht die Vorgänge öffentlich und nennt es einen „Geheimplan“.
Szene 3: Der AfD-Bundestagsabgeordnete René Springer meldet sich daraufhin in sozialen Medien zu Wort: „Wir werden Ausländer in ihre Heimat zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimplan. Das ist ein Versprechen.“ Der Abgeordnete beschäftigt in seinem Büro einen der wichtigsten Aktivisten der „Identitären Bewegung“ in Deutschland. Der AfD-Bundesvorstand springt ihm bei.
Die Szenen machen zwei Dinge deutlich. Zum einen scheinen Teile der Öffentlichkeit den Kern der AfD vergessen zu haben: das Vorhaben, die Bundesrepublik als ethnisch weitgehend homogenen Staat zu konzipieren, der die politischen Gegner der Partei mit autoritären Mitteln bekämpft. Zum anderen scheint Unklarheit darüber zu herrschen, dass die Partei inhaltlich kaum zu unterscheiden ist von dem rechtsextremen Netzwerk, das sie auf allen Ebenen bis in den Vorstand umgibt.
Netzwerk der Verfassungsfeinde
Die Rede ist vom „Institut für Staatspolitik“, dem rechtsextremen Thinktank des Publizisten Götz Kubitschek in Schnellroda, über den sich AfD-Spitzenfunktionäre und ihre Verbündeten der „Identitären Bewegung“ vernetzen. Darunter: der Thüringer Landessprecher Björn Höcke, der Europa-Spitzenkandidat Maximilian Krah, der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland sowie die Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla.
In zugehörigen Publikationen werden Sätze geschrieben wie: „Nur den status quo zu konservieren und niemanden loszuwerden – oder nur Illegale und Kriminelle –, besiegelt bereits das demographische Ende der Abstammungsdeutschen aufgrund der Verschubmassen.“ Stattdessen müssten „größere Zahlen von Ausländern wieder in ihre Heimat, im Falle heimatzwittriger Zweit- und Drittgenerationen in die ihrer Vorväter zurückkehren“.
Sowohl das Institut als auch seine Zeitschrift „Sezession“, das von Kubitschek gegründete Aktionsbündnis „Ein Prozent“, die IB und die AfD-Landesverbände in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt werden vom Verfassungsschutz beobachtet. Ihr gemeinsames Anliegen: massenhafte Abschiebungen und Druck auf Minderheiten, das Land zu verlassen. Über den von den „Identitären“ geprägten Begriff der „Remigration“ soll beides salonfähig werden.
Kampf um die Deutungshoheit
„Im idealistischen Kernbereich des rechten Lagers wurde das Begriffspaar ‚Bevölkerungsaustausch‘ und ‚Remigration‘ im Jahr 2023 großteils hegemonial“, freute sich IB-Chef Sellner kürzlich in einem Beitrag für die „Sezession“. Die neuen Rechtsextremen sind überzeugt davon, dass Begriffs- und Ideenhoheit eine Voraussetzung zur Erlangung der Macht ist. „In einer 2. Phase muß [sic!] die Idee von hier aus ‚Fahrt aufnehmen‘, also Überzeugungskraft, wissenschaftliche Substanz und Reichweite aufbauen“, schrieb er weiter.
Das scheint mit der Berichterstattung über das Treffen in Potsdam unverhofft geglückt. Die am Treffen beteiligte Abgeordnete Gerrit Huy schrieb, jetzt sei immerhin „eine öffentliche Debatte zur Remigration losgetreten worden – Wasser auf unsere Mühlen“. Folgerichtig gab der AfD-Vorstand – obwohl er sich von dem Treffen distanzierte – am Tag der Berichterstattung eine Pressemitteilung heraus: „Wir brauchen Passentzug für Kriminelle und Remigration!“ Zahlreiche Abgeordnete und Funktionäre meldeten sich zu Wort. Alle betonten: „Remigration!“