Beamte bangen um ihren Job, eine Kooperation mit der Union ist passé, ein Bundestagsabgeordneter verlässt die Partei: Die Höherstufung durch den Verfassungsschutz stürzt die AfD ins Chaos.
Nervosität, Unruhe, Unsicherheit, Austritte: Die AfD drehte sich am Montag nach der Höherstufung durch den Verfassungsschutz zur „gesichert rechtsextremistischen“ Vereinigung allein um dieses Thema. Was sind die Rechtsfolgen für ihre Mitglieder, wie soll die Partei reagieren? Solche Fragen standen nicht nur ganz oben auf der Tagesordnung, als AfD-Bundes- und Fraktionsvorstand am Montag tagten – sondern auch bei den Mitarbeitern in den Büros der Partei.
In der Sitzung des Bundesvorstands war nach Informationen von t-online vor allem eine Berufsgruppe in der Mitgliedschaft Thema: Beamte, Angestellte im öffentlichen Dienst und Soldaten, die einen Eid auf das Grundgesetz schwören. Für sie kann die Mitgliedschaft in einer gesichert rechtsextremistischen Vereinigung womöglich neue berufliche Konsequenzen bringen.
Bisher galt die AfD dem Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall und die Regel: Nur wer besonders auffällig wird, muss mit einer Prüfung und Disziplinarmaßnahmen rechnen.
Am Wochenende aber, nach der Höherstufung, hieß es aus den Innenministerien in Hessen und Bayern: Man müsse nun prüfen, welche Konsequenzen die Einstufung „für die Tätigkeit von AfD-Mitgliedern im öffentlichen Dienst haben muss“. Mitarbeiter in Polizei und Verwaltung müssten die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung eintreten. Andere Länder wollen es nach Informationen von t-online ähnlich halten und gehen in die Prüfung.
Werden für AfD-Mitglieder Beförderungen im öffentlichen Dienst schwierig, Neueinstellungen unmöglich, stehen sogar Jobs auf dem Spiel? Vieles ist noch unklar, offiziell schweigt die AfD-Spitze zu dem Thema. Die Angst aber ist groß, die Fragen von der Basis offenbar zahlreich. Im Bundesvorstand beschloss man deswegen am Montag nach Informationen von t-online, dass ein Informationspapier für Mitglieder, die Beamte sind, so rasch wie möglich aktualisiert werden soll.
Das alte Papier, das auf der Homepage für Mitglieder der AfD noch zu erreichen ist, beschäftigt sich mit möglichen rechtlichen Folgen der Verfassungsschutzbeobachtung der AfD „für Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst“. Der beruhigende Einstieg – noch aus der Zeit, als die AfD lediglich als Verdachtsfall eingestuft wurde – lautet „Muss ich als AfD-Mitglied mit rechtlichen Nachteilen rechnen? Ganz klare Antwort ist: NEIN!“
Das Papier soll nun neu aufgesetzt werden. Das sei notwendig, damit die Mitglieder mit entsprechenden Berufen „nicht in Panik verfallen“, sagt ein hoher Funktionär t-online.
Zwar hat die AfD am Montag Klage eingereicht gegen die Einstufung des Verfassungsschutzes und angekündigt, sich mit allen juristischen Mitteln zu wehren. Als „nicht gültig“ oder „nicht rechtskräftig“ beschreiben sie in der AfD deswegen reihenweise die Einschätzung. „Aber faktisch kann die Einstufung trotzdem Folgen haben, weil die Arbeitgeber es eben so auslegen“, räumt der Funktionär ein.

Unsicherheit herrschte auch in den Abgeordnetenbüros im Bundestag. Könnten Mitarbeiter der AfD zum Beispiel in Zukunft reihenweise durch die Sicherheitsüberprüfung fallen und den Zutritt zum Bundestag verlieren? Die Höherstufung sei „Thema Nummer 1“ gewesen, sagte ein Mitarbeiter t-online. Es herrsche „Empörung, aber auch Gelassenheit“.
Vorher habe der Verfassungsschutz immer nur gedroht. „Jetzt ist es raus“, so sieht er es. Damit sei die „letzte Eskalationsstufe“ erreicht. Verstanden werde der Schritt in AfD-Kreisen viel eher auch als Zeichen an die Union. CDU/CSU hatten zuletzt in mehreren Fällen einen anderen Umgang mit der AfD forciert, weg von einer Politik der Brandmauer, hin zur Kooperation.
Jens Spahn – hochrangiger Wortführer in der Union beim Plädoyer pro Normalisierung der AfD – twitterte denn auch am Sonntag: Man nehme den Bericht des Verfassungsschutzes „sehr ernst“. Zuletzt hatte Spahn der AfD noch Vorsitzposten in Ausschüssen zugestehen wollen. Nun klingt Spahn ganz anders: „Eine Empfehlung, AfD-Abgeordnete zu Ausschussvorsitzenden zu wählen, wird es von unserer Seite nicht geben.“