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Im Bundestag eskaliert der Raumstreit zwischen SPD und AfD um den Otto-Wels-Saal. Beide Parteien führen sachliche Gründe an. Doch es geht um mehr.

„Sardinenbüchse“, ruft ein AfD-Abgeordneter. „Das ist diskriminierend für Dicke“, ruft der bayerische Landesvorsitzende Stephan Protschka. „Wo sind denn hier die Fluchtwege?“, fragt der Parlamentarische Geschäftsführer Enrico Komning laut.

Die AfD-Fraktion macht am Dienstagnachmittag eine von der Presse begleitete Sitzprobe in dem Fraktionssaal, den sie eigentlich beziehen soll. Nicht alle 151 AfD-Abgeordnete sind da, aber viele von ihnen. Schulter an Schulter sitzen sie in den Reihen, schütteln die Köpfe, machen Videos für Social Media. Der Tenor dieser Videos: Viel zu eng sei es, so könne man nicht arbeiten. Eine Frechheit.

Zu diesem Fazit kommt auch AfD-Chef Tino Chrupalla rasch: „Von parlamentarischen Zuständen kann nicht die Rede sein“, sagt er. „Wir werden den Raum so nicht akzeptieren.“ Der Reichstag gehöre allen, dem deutschen Volk. Auch der AfD, die zehn Millionen Wähler repräsentiere, stehe es zu, angemessen zu tagen. So gehe es nicht.

Der Raumstreit gärt nun schon seit Wochen. Er hat sich zwischen AfD und SPD zügig nach der Wahl entwickelt. Am Freitag soll er sich im Ältestenrat final entscheiden. Die AfD versucht mit der Sitzprobe am Dienstag noch einmal, über die Medien ihr Problem plastisch zu verdeutlichen.

Beide Parteien führen in dem Streit „sachliche Gründe“ an, auf ihrer Position zu beharren – eigentlich aber geht es um viel mehr – um einen großen Sozialdemokraten und den Umgang miteinander im Parlament insgesamt.

Was genau ist das Problem? Die AfD hat im neuen Bundestag 151 Abgeordnete, die Fraktion hat sich zahlenmäßig verdoppelt und ist nun nach der Unionsfraktion die zweitstärkste im Parlament. Die SPD hingegen ist auf 120 Abgeordnete geschrumpft. Den zweitgrößten Sitzungssaal, den die SPD in der vergangenen Legislatur innehatte, aber will sie nicht an die AfD abtreten, sondern ihn wie in der vergangenen Legislatur selbst behalten.

Die AfD soll, so Stand der Diskussion, stattdessen in den ehemaligen Saal der FDP umziehen. Also in die „Sardinenbüchse“, wie die AfD-Abgeordneten sie heute nennen. Die FDP hatte dort mit rund 90 Abgeordneten getagt, damals noch gleich neben der AfD. Seither ist er offenbar umgebaut worden, Sitzplätze gibt es dort für die AfD-Abgeordneten genug – aber tatsächlich ist die Fläche wesentlich kleiner als im Saal der SPD.

Foto von Otto Wels vor dem SPD-Fraktionssaal: Die SPD will den Raum nicht aufgeben. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa/dpa-bilder)

Bernd Baumann, Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD, hat das bereits am Dienstagmorgen vorgerechnet, Präsentation von Grafiken und Saalzuschnitten inklusive: Der AfD stehe im FDP-Saal für jeden Abgeordneten nur 1,7 Quadratmeter zur Verfügung. Jeder SPD-Abgeordnete hingegen habe im „Tanzsaal“ nun mehr als doppelt so viel Platz.

Nicht nur den mangelnden Platz kritisiert Baumann, sondern auch den Umgang: Mit der AfD sei vorab nicht diskutiert worden, Briefe der Fraktionsführung seien unbeantwortet geblieben. „Sie haben sogar den Saal umgebaut, ohne uns offiziell einzubeziehen.“ Der AfD werde von einem „Abwehrkartell“ vorenthalten, was ihr zustehe, so Baumann.

Das sei ein Vorgehen „gegen alle Regeln des Parlamentarismus“. Auch mit Blick auf Brandschutzmaßnahmen sei das schwierig. Man prüfe juristische Schritte.

Aber auch die SPD verweist am Dienstag bei „Bild“ auf „sachliche Gründe“: Sie argumentiert, dass sie als Regierungspartei bei ihren Fraktionssitzungen regelmäßig Besuch von Ministern und deren Mitarbeitern bekomme – und deswegen mehr Platz brauche. Außerdem, so der SPD-Parlamentsgeschäftsführer Dirk Wiese, brauche man die „direkte Nähe“ zum Koalitionspartner CDU/CSU.

Etwas befriedigt aber klingt Wiese schon: „Manch einer hat da wohl zu früh Videos gedreht. Die AfD wird die Umzugswagen wohl wieder abbestellen müssen.“

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