Nach dem Insolvenzantrag der Traditionsmarke Esprit gab es Hoffnung auf einen Neuanfang. Ein Ex-Aufsichtsrat dämpft nun jedoch die Perspektive auf eine Fortführung des Geschäfts.
Die Filialen der Modemarke Esprit sind seit Jahrzehnten fester Bestandteil deutscher Innenstädte. Nachdem es in den vergangenen Jahren zahlreiche Wechsel an der Spitze des international agierenden Bekleidungskonzerns gegeben hatte, scheint den Mitarbeitern nun eine ungewisse Zukunft bevorzustehen. So musste Esprit für das Europageschäft am Mittwoch einen Insolvenzantrag stellen (t-online berichtete).
Der Geschäftsbetrieb soll bis auf Weiteres fortgeführt werden. Die rund 1.500 betroffenen Mitarbeiter in Deutschland wurden informiert, wie es von Konzernseite am Mittwoch hieß. Doch sind ihre Jobs damit sicher?
Mit der Insolvenz soll laut Auskunft des Modekonzerns ein geschäftlicher Neuanfang einhergehen. Ziel sei, das maßgeblich aus Deutschland geführte europäische Geschäft zukunftsfähig auszurichten, teilte das Unternehmen mit. Gespräche mit einem interessierten Finanzinvestor seien bereits geführt worden. Die Verhandlungen über den Erwerb der Markenrechte für Europa befinden sich demnach in einem fortgeschrittenen Stadium.
Ein ehemaliger Vorstand des Konzerns sieht die Zukunftsaussichten allerdings nicht so rosig. Wolfgang Schlangmann, der zwischen 2021 und 2024 Vorstand sowie Aufsichtsrat bei Esprit war, glaubt nicht mehr an den Erhalt der Filialen. Er sieht für den insolventen Modekonzern keine Perspektive mehr.
Laut Schlangmann sei das Kerngeschäft von Esprit, die 57 eigenen Geschäfte in Deutschland, „seit Jahren hochdefizitär“, sagte der erfahrene Manager der „Rheinischen Post“. „Nach meiner Beurteilung wird jede Filiale von Esprit in Deutschland schließen müssen“, so der Ex-Vorstand.
Bleibt neuer Investor dem Filialgeschäft treu?
Schlangmann war im Jahr 2020 zu dem in San Francisco gegründeten, inzwischen aber in Hongkong ansässigen Bekleidungsanbieter gestoßen. Im März 2024 hatte er seinen Posten als Executive Director bei Esprit niedergelegt und war aus dem Unternehmen ausgeschieden.
Die bisherige Geschäftsführerin Man Yi Yip wird laut der Mitteilung aus dem Unternehmen ausscheiden. Die Rechtsanwälte Christian Gerloff und Christian Stoffler sollen die Leitung übernehmen und den Modekonzern sanieren. Esprit habe seit „seit geraumer Zeit unter sinkenden Umsätzen“ gelitten, sagte Gerloff. Betroffen von der Insolvenz sind wesentliche Teile des europäischen Geschäftes. Die Esprit-Töchter in Belgien und in der Schweiz hatten bereits im März 2024 Insolvenz angemeldet.
Wie mehrere Mitarbeiter von Esprit der „Rheinischen Post“ berichten, haben die beiden Sanierungsexperten am Mittwoch bei einer Betriebsversammlung verkündet, dass die britische Beteiligungsgesellschaft Alteri Investors schon bald einen Teil des Esprit-Geschäfts übernehmen werde. Die Verhandlungen seien im „finalen Stadium“, hieß es demnach auf der Mitarbeiterversammlung.
Esprit: ein weiteres unrühmliches Kapitel
Ex-Esprit-Vorstand Schlangmann glaubt jedoch, dass Alteri nicht das verlustreiche Filialgeschäft übernehmen werde, sondern nur den „einzig profitablen Teil des Unternehmens“: die Rechte zum Verkauf von Ware der Marke innerhalb von anderen Händlern wie Galeria oder Peek & Cloppenburg.
Es wäre ein weiteres unrühmliches Kapitel in der Geschichte des einst angesagten Modelabels. Bereits im Jahr 2020 hatte das Unternehmen Insolvenz anmelden und rund die Hälfte aller 100 Filialen der Modekette in Deutschland schießen müssen. Von einem Großteil der damals noch 6.000 Mitarbeiter musste man sich ebenfalls trennen.
Dann stieg die Hongkonger Milliardärin Karen Lo bei Esprit ein und versprach, den Sanierungsfall zurück an die Weltspitze zu führen. Doch schon damals schrieb das Fachblatt „Manager Magazin“ von einem „riskanten Plan“ mit „fragwürdigen Mitteln“. Vier Jahre später scheint es so, als ob sich diese Befürchtungen bewahrheitet hätten.