Am Freitag spielen der HSV und der FC St. Pauli um die Stadtmeisterschaft. Eigentlich ein Höhepunkt der Saison, doch bei t-online-Redakteur und HSV-Fan Florian Boldt kommt wenig Vorfreude auf.
Es ist Derbywoche. Das ist für Fans normalerweise die schönste Woche einer Saison. Über die Arbeitstage hinweg baut sich ab den ersten Gesprächen im Büro am Montagmorgen eine Spannung auf, ein Kribbeln, das stärker und stärker wird. HSV gegen St. Pauli, St. Pauli gegen HSV, ihr seid doch nur ein Stadtteilverein – ja, aber ihr seid bloß der Vorstadtklub von der Müllverbrennungsanlage! So – oder so ähnlich – geht es dann bis zum Spieltag selbst. Spätestens dann sind beide Seiten von oben bis unten elektrisiert, ziehen mit lauten Gesängen ins Stadion, packen Choreografien in den Kurven aus, und und und. Man will eben zeigen, wer hier die Nummer eins ist.
Bloß in dieser Woche ist da bei mir: wenig. Vorfreude? Derbystimmung? Schwierig. Zu viel Frust hat sich in den vergangenen Wochen aufgestaut.
Längst ist klar, dass mein HSV nicht mehr direkt aufsteigen kann. Das hat er sich mit den wirklich schlimmen Auftritten gegen Osnabrück (1:2), Düsseldorf (0:2) oder Holstein Kiel (0:1) redlich verdient. Klar, am Samstag hat der HSV mit 4:0 in Braunschweig gewonnen und bleibt in Lauerstellung auf Platz drei – aber dass die Jungs gut kicken können, wenn es um fast nichts mehr geht, tröstet nur ein ganz kleines bisschen.
St. Pauli kann beim HSV aufsteigen
Schließlich hat sich der HSV mit seiner Rückrunde selbst in die Lage gebracht, dass ihm an diesem Freitag ein historisches Debakel droht. St. Pauli kann dagegen aufsteigen, und das im Volksparkstadion, beim HSV. St. Pauli kann auch dafür sorgen, dass es der HSV nicht einmal mehr in die Relegation schafft. Was das für ein Triumph wäre für den braun-weißen Nachbarn? Man kann es sich denken.
Es geht also vor allem darum, irgendwie zu verhindern, dass St. Pauli bei uns aufsteigt. Dass das überhaupt passiert, ist kaum zu verhindern, es lässt sich nur noch verschieben. Mit einem schwarz-weiß-blau schlagenden Herzen fühlt sich das nicht gut an. St. Pauli ist uns sportlich in diesem Jahr einfach enteilt, fährt nächstes Jahr nach München oder Dortmund und wir müssen nach Ulm oder Elversberg.
Und selbst wenn der HSV das Derby gewinnt, liegt es nicht in unseren Händen, ob das noch etwas an der Aufstiegsfeier der Gäste auf unserem heiligen Boden ändert oder nicht. Verliert Fortuna Düsseldorf am Freitag parallel gegen Nürnberg, muss St. Pauli für den Aufstieg nicht einmal mehr einen Punkt holen. Die bekommen das hin, woran wir seit fünf Jahren scheitern. Das tut weh.
Trotz allem habe ich mir für den Derbytag freigenommen. Weil man als jahrzehntelanger HSV-Fan nie weiß, welche Überraschung dieser Verein noch zu bieten hat. Weil es in der Theorie möglich ist, Düsseldorf noch zu überholen. Weil es im Fußball manchmal Wunder und magische Abende gibt. Und weil es gar nicht anders geht, wenn man seinen Klub so sehr liebt. Es ist eben so, wie die Band Abschlach singt: „Mein Hamburg lieb‘ ich sehr, sind die Zeiten auch oft schwer, weiß ich doch, hier gehör‘ ich her!“