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Gesprochen von künstlicher Intelligenz.
Markus Ziener ist Senior Visiting Fellow beim German Marshal Fund in Berlin.
In Deutschland tauchen fast wöchentlich Nachrichten über den scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg der rechten Alternative für Deutschland (AfD) auf. Doch mittlerweile trifft dies nicht nur auf die bekanntermaßen AfD-freundlichen Bundesländer in Ostdeutschland zu, sondern breitet sich auch weiter nach Westen aus.
In Sachsen, Thüringen und Brandenburg liegt die AfD derzeit deutlich über 30 Prozent. Auch in den alten Bundesländern Hessen und Bayern gewinnt die Partei an Boden, wo sie bei der Wahl am Wochenende voraussichtlich bei rund 15 Prozent landen wird.
Einst galt die AfD nur als Anziehungspunkt für die äußerste Randgruppe der Rechten, heute ist sie für deutlich mehr Wähler akzeptabel geworden. Und obwohl Umfragen keine Wahlergebnisse sind, erschüttern sie die politische Landschaft Deutschlands.
Auf regionaler und lokaler Ebene wird es zunehmend schwieriger, erfolgreich Koalitionen gegen AfD-Kandidaten zu bilden. In Sonneberg, einem Landkreis in Südthüringen, gelang es einem AfD-Kandidaten, eine Einheitsfront aus Linken, Sozialdemokraten, Grünen, Liberalen und Christdemokraten (CDU) zu überwinden und einen Sitz im Kreistag zu erringen. Auch in Raguhn-Jeßnitz, einer 9.000-Einwohner-Stadt in Sachsen-Anhalt, setzte sich ein rechter Kandidat gegen einen von allen anderen Parteien unterstützten gemeinsamen Kandidaten durch und wurde zum Bürgermeister gewählt.
Es scheint, je mehr sich Parteien links von der AfD zusammenschließen, desto weniger können sie unterschieden werden. Und das wiederum nährt das Narrativ der AfD, sie sei die einzige echte Opposition und die Wähler sollten sich von den alten, alteingesessenen Parteien abwenden.
Es zeigt sich auch, dass die Aufrechterhaltung der sogenannten „Firewall“ gegen die AfD – also der politischen Isolation der Rechten – eine heikle Angelegenheit ist, da eine starke Vertretung der AfD in den Landesparlamenten es schwierig macht, gegen sie zu regieren.
Als beispielsweise in Thüringen kürzlich ein CDU-Antrag zur Senkung der Grunderwerbsteuer von der AfD unterstützt wurde und damit die Mehrheit der Stimmen erhielt, wurde den Konservativen eine Zusammenarbeit mit der rechtsextremen Partei vorgeworfen. Die CDU befand sich in einer Zwickmühle: Ist es wirklich sinnvoll, einen vernünftigen Gesetzentwurf nicht einzubringen, nur weil er von der AfD unterstützt werden könnte? Ein solcher Schritt würde den Handlungsspielraum jeder Partei – insbesondere aber der CDU – drastisch einschränken.
Als der Partei, die der AfD politisch am nächsten steht, hat diese Situation für die Konservativen dramatische Folgen. Während sie das Ziel einer Halbierung der Wählerstimmen für die AfD verkündet hatten, hat die rechtsextreme Partei ihre Wählerschaft seit der letzten Bundestagswahl 2021 fast verdoppelt und liegt bundesweit bei rund 20 Prozent – die CDU liegt derzeit bestenfalls bei 30 Prozent.
Doch die CDU hat nicht nur ihre Ziele verfehlt, sie ist auch zunehmend ratlos, wie sie darauf reagieren soll.
Immer wenn die Partei Positionen vertreten hat, die auch die AfD in ihren Wahlkämpfen vertritt, verweisen fast alle anderen Parteien sofort übel auf sie. Dies war bei Migration, Klimawandel und Bildung der Fall – genau die Themen, die normalerweise ganz oben stehen, wenn Wähler nach ihren Hauptanliegen gefragt werden. Während andere Parteien den moralischen Weg gehen und sich von der AfD distanzieren – was bei der Wählerbasis der Grünen und in geringerem Maße bei den Sozialdemokraten besonders gut funktioniert – muss die CDU erst noch herausfinden, wie sie in diesem toxischen Umfeld zurechtkommt und sieht schwach und unentschlossen aus.
BAYERISCHE PARLAMENTSWAHL UMFRAGE
Weitere Umfragedaten aus ganz Europa finden Sie unter POLITISCH Umfrage der Umfragen.
Allerdings haben die Folgen des Aufstiegs der AfD nicht nur für Deutschland, sondern auch für die Europäische Union massive Auswirkungen. Wenn es der Partei gelingt, ihren aktuellen Schwung auch im nächsten Jahr fortzusetzen, dürfte sie bei den bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament 2024 ein gutes Ergebnis erzielen.
Aber die AfD ist zutiefst euroskeptisch – um nicht zu sagen: ausgesprochen EU-feindlich. Die Partei hat kürzlich Maximilian Krah zu ihrem Spitzenkandidaten für die EU-Wahlen gewählt. Krah glaubt, dass Europa in eine „Festung“ gegen Migranten umgewandelt werden muss und dass 80 Prozent der EU-Bürokratie abgeschafft werden sollten. Außerdem ist er ein entschiedener Pro-Russland-Anhänger und kritisiert die Fokussierung des Blocks auf das Klima massiv.
„Diese EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann“, sagt Björn Höcke, AfD-Fraktionsvorsitzender in Thüringen. Und eine starke AfD wird mit ziemlicher Sicherheit riskieren, die rechte Fraktion im Parlament noch weiter an den Rand zu drängen und die Politik in Brüssel zu stören.