Längst haben Supermärkte die meisten Einzelhändler verdrängt. In Eppendorf hat sich ein Tante-Emma-Laden bis heute gehalten. Zu Besuch bei einem Kaufmann der alten Schule.
Es ist einer der Läden, von denen man denkt, dass es sie schon gar nicht mehr gibt: der kleine Einzelhandel an der Ecke, in dem der gleiche Verkäufer im gleichen Pullover am gleichen Pult gefühlt seit Jahren sitzt. Und doch, in Hamburg-Eppendorf ist das so.
Uwe Beuck blickt mit seinem „Weinhaus und Feinkostladen Beuck“ in der Haynstraße auf 53 Jahre zurück. Diese Geschichte nimmt in vier Wochen ein Ende. Damit stirbt in Hamburg-Eppendorf der wohl letzte Tante-Emma-Laden.
Eppendorf: Früher für Studenten, heute für Wohlhabende
So sehr sich Eppendorf in den letzten Jahren gewandelt hat, so beständig ist der Alltag im Weinhaus Beuck verlaufen. Wo früher Studenten und Künstler hausten, wohnen heute gut verdienende Menschen in Eigentumswohnungen. Beuck, der nur einige Straßen von seinem Laden entfernt aufwuchs, ist all die Jahre geblieben.
Wenn er tagsüber auf Kundschaft wartet, sitzt Uwe Beuck an einem hölzernen Apothekertisch. Umringt von aufgereihten Kochbüchern und sortierten Lieferscheinen überblickt er sowohl den Eingang als auch die beiden Gänge seines Ladens.
Die Eppendorfer liebten den hausgemachten Salat
In den besten Zeiten gingen hier jeden Tag 360 Kunden ein und aus, um sich mit Gemüse, Obst, Süßigkeiten oder Wurst und Käse einzudecken. Besonders die hausgemachten Salate haben dem Laden über Hamburgs Stadtgrenzen hinaus Berühmtheit verschafft, erinnert sich Uwe Beuck. Das habe er allein einer ehemaligen Mitarbeiterin zu verdanken gehabt: „Sie war ein Glücksgriff.“
„Morgens um fünf Uhr fing sie an und ging um 13 Uhr nach Hause. 150 Kilogramm Salat pro Woche gingen damals über die Theke. Das kann man sich heute kaum noch vorstellen“, sagt Beuck.
Das Geschäft fand mit Wein und Feinkost eine Nische
Seitdem sich Supermärkte in der Stadt ausbreiteten, beobachtet Beuck, wie sich das Einkaufsverhalten der Hamburger veränderte: „Die Ansprüche der Kunden sind über die Jahre gewachsen. Das immer größere Angebot, kürzere Wartezeiten an den Kassen. Da haben wir kaum eine Chance, zu bestehen.“ Beucks Laden hat 55 Quadratmeter, andere Supermärkte in der Umgebung seien zehnmal so groß.
„Mit der Zeit hat sich aber gezeigt, dass wir mit guter Qualität Bestand haben.“ So beschloss er, sich auf Wein und Feinkost zu spezialisieren. Der Einzelkaufmann belegte an Wochenenden Seminare, ging zu Verkostungen und knüpfte Kontakte zu Winzern. So hat er überlebt.
Beuck ist jetzt Einzelkämpfer
Seitdem er keine Angestellten mehr hat, muss Beuck selbst einkaufen, Waren verräumen, die Buchhaltung stemmen. Er ist auf sich alleine gestellt. Zwei- bis dreimal pro Woche breche er morgens um vier Uhr zum Großmarkt auf, dann zum Großhandel, um schließlich pünktlich um 8.30 Uhr den Laden zu öffnen.
Ein Knochenjob. Und doch sei er seit seinem ersten Arbeitstag nie krank gewesen. Das verdanke er seinem regelmäßigen Mittagsschlaf, wie er mit einem Augenzwinkern erklärt.
Promis wie Boris Becker kauften in der Haynstraße ein
Heute kaufen täglich circa 40 Personen in seinem Geschäft ein. Manche Kunden begrüßt er mit Vornamen, so wie Alex, der einen Sack Kartoffeln mitnimmt. Hat er unter seinen Stammkunden auch Freundschaft geschlossen? „Nein“, sagt Beuck. Privates und Geschäftliches habe er immer trennen wollen. Trotzdem habe er genug erlebt. An den jungen Boris Becker zum Beispiel kann er sich noch gut erinnern, der habe früher regelmäßig vorbeigeschaut. Fußballlegende Felix Magath kaufte bei ihm Sekt und Champagner.
Plötzlich muss er lachen. Einmal verkaufte er einem renommierten Arzt aus dem Universitätsklinikum Eppendorf ein Kilo Heidelbeeren. 10 Minuten später stand der wieder im Laden: Die Heidelbeeren waren ausgelaufen und hatten seinen Anzug ruiniert. „Zum Glück verlangte er nicht, dass ich sein Kostüm ersetze“, erzählt Beuck.