Der Bahnstreik geht zu Ende, doch die Unzufriedenheit vieler Kunden dauert an. Das liegt auch an einem schwer zu durchschauenden Unternehmen – in dem an vielen Stellen die Politik mitmischt.
Es ist bereits die vierte Runde im aktuellen Tarifstreit, ob ein Ende in Sicht ist, ist noch unklar: Die Lokführergewerkschaft GDL unter der Leitung von Claus Weselsky kämpft für eine geringere Wochenstundenzahl, die Deutsche Bahn hält dagegen.
Doch obwohl die Deutsche Bahn ein Staatskonzern ist, hat der Minister keinen direkten Einfluss auf die Verhandlungen im Tarifstreit. Das Machtsystem Bahn ist komplex und hat viele Akteure – all das wirkt sich auf die derzeitige Lage aus. Ein Überblick.
Bahnvorstand ist ein Politikum
Das liegt an der besonderen Organisationsform der Bahn. In den 1990er-Jahren wurde die Bahn im Zuge der Zusammenlegung von der Deutschen Bundesbahn und der Reichsbahn der DDR ein privatwirtschaftliches Aktienunternehmen, genauer gesagt eine Holding mit fünf Aktienunternehmen. Damals wurde das Unternehmen komplett entschuldet und sollte einen Neustart bekommen.
An der Spitze des Unternehmens steht der Vorstand. Dieser setzt sich aktuell aus acht Personen, fünf Männern und drei Frauen zusammen. Vorstandsvorsitzender ist Richard Lutz.
Dieser Vorstand war zuletzt vermehrt in der Kritik, denn nur zwei von drei Zügen kamen im vergangenen Jahr pünktlich an ihr Ziel, viele Kunden sind verärgert. Dennoch wurde im Dezember bekannt, dass die Vorstände nachträglich Boni in Millionenhöhe für die Vorjahre erhalten sollen, obwohl diese Zahlungen leitungsgebunden sind. Mehr dazu lesen Sie hier. Künftig sollen die Boni niedriger ausfallen, dafür soll das Grundgehalt steigen. Kritiker sehen darin einen noch geringeren Anreiz, die Probleme des Konzerns anzugehen.
Politiker berufen sich aktuell auf die Unternehmensform als privatwirtschaftlicher Konzern und verweisen darauf, dass Tarifautonomie ein hohes Gut ist, weshalb sie sich nicht in die Streitigkeiten zwischen Deutscher Bahn und Gewerkschaft einmischen wollen. Aber sie verkennen dabei, dass die Bahn immer noch hundert Prozent dem Bund gehört und keinesfalls unabhängig ist. Immerhin entscheidet der Verkehrsminister darüber, wer den Chefposten bei der Deutschen Bahn besetzt.
Verkehrsministerium redet bei Aufsichtsrat mit
Entschieden wird über die viel kritisierten Boni und die Gehälter der Bahnvorstände vom Aufsichtsrat, wie es für Aktienunternehmen üblich ist. Dieser hat 20 Mitglieder, wobei zehn davon Arbeitnehmervertreter sind und zehn Mitglieder Anteilseignervertreter. Da die Bundesrepublik alleiniger Anteilseigner ist, heißt das auch, dass diese zehn Aufsichtsratsmitglieder vom Bund bestimmt werden. Diese Aufgabe übernimmt das Verkehrsministerium.
So finden sich auch mehrere aktive und frühere Politiker im Aufsichtsrat. Aufsichtsratsvorsitzender ist der frühere Staatssekretär Werner Garzer. Auch auf diese Weise hat die Politik also Möglichkeit zur Einflussnahme und Mitbestimmung. Aufseiten der Arbeitnehmer sitzt unter anderem der Chef der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) Martin Burkert im Gremium. Das ist wiederum spannend, denn Burkert vertritt nur eine von zwei Gewerkschaften, die im Konzern vertreten sind.
Die Konkurrenten: EVG und GDL
Es ist eine Besonderheit im Bahnkonzern: Zwei Gewerkschaften buhlen um die Gunst der Mitarbeiter. Neben der derzeit streikenden Lokführergewerkschaft GDL gibt es auch noch die deutlich größere Eisenbahnergewerkschaft EVG. Die GDL meldete zuletzt etwas weniger als 40.000 Mitglieder, die EVG 180.000.
Letztere hatte erst im vergangenen Jahr nach Warnstreiks einen neuen Tarifvertrag errungen, der nach Tarifeinheitsgesetz für alle Beschäftigten gelten müsste. Denn das Gesetz sagt zwar explizit, dass nicht nur die größte Gewerkschaft verhandeln darf, aber dass in einem Betrieb nur ein Tarif gelten kann.