Ich persönlich werde mit Sicherheit nicht aus der Kirche austreten.
Für mich gibt es null Berechtigung, in der Kirche zu bleiben.
Wenn jemand sagt: “Also ich kann und ich will nicht mehr.” Ich kann das nachvollziehen, aber ich halte es nicht für sinnvoll.
Korruptionsvorwürfe, Missbrauchsfälle, Mitgliederschwund: Die Kirche ist angeschlagen und verliert an Bedeutung.
Vor der t-online-Kamera argumentieren ein überzeugter Atheist und zwei engagierte Gläubige, was für beziehungsweise gegen einen Kirchenaustritt spricht.
Jeder, der jetzt noch in der Kirche ist, unterstützt sie mit seinem Geld, mit seiner Zustimmung, mit seinem Schweigen. Und Schweigen bedeutet für mich immer noch Zustimmung.
Da muss Klarheit geschaffen werden, da müssen Maßnahmen ergriffen werden, da muss für die Zukunft dafür gesorgt werden, dass betreffende Personen, die da auffällig geworden sind, keine Gelegenheit haben, diese Missbräuche dann auch fortzusetzen. Aber das gilt ganz genauso – sagen wir mal – in Internaten oder in Schwimmvereinen.
Die Anzahl der Kirchenaustritte schwankte in den letzten zwei Jahrzehnten stark. Zuletzt erreichten sie ein Rekordhoch.
Nicht die Abkehr von Gott ist der Grund, sondern die vielen Missbrauchsfälle, glaubt Kurt Himmer.
Es könnte sein, dass diese Leute immer noch gläubig sind, aber dann meine besonders große Hochachtung diesen gläubigen Menschen gegenüber. Ihr seid gläubig und macht doch für euch diesen schwierigen Schritt und tretet aus der Kirche aus. Finde ich ganz toll.
Ich frage mich ganz klar, was ist eigentlich sinnvoller: Wenn man etwas kritisiert, fürchterlich zu schimpfen und wegzurennen, oder dass das, was man kritisiert, sich wieder bessert?
Guckt doch mal, was es auch gibt, was eben diese Institution Kirche für unsere Gesellschaft beiträgt. Also wenn ich jetzt in jüngster Vergangenheit angucke – die Flüchtlingskrise: Da hat die evangelische und katholische Kirche, aber auch alle anderen, große Beiträge zur Willkommenskultur geleistet.
Dass Kirche nicht nur Menschen in Not hilft, sondern auch Gemeinschaft stiftet, macht Petra Eisenhauer an einem Beispiel deutlich.
Wenn man alt ist, der Partner stirbt, Freunde versterben, das eigene Kind ist vielleicht – was weiß ich -, drei-, vierhundert Kilometer entfernt wohnend: Dann wird es ganz schnell ganz einsam. Und da ist dann die Möglichkeit, über kirchliche Seniorenkreise sich austauschen zu können, sich unterstützen können.
Jeder vernünftig denkende Mensch muss doch trennen können zwischen einerseits Glaube und Kirche. Ich kann ja an Gott glauben. Und auf der anderen Seite: Glauben diese Leute wirklich, Gott wäre ihnen böse, wenn sie aus dieser Kirche austreten würden? Ich kann es mir nicht vorstellen.
Die Kirche wird noch sehr lange bestehen, glaubt Kurt Himmer – ganz zu seinem Leidwesen. Denn für reformierbar hält er sie nicht.
Wenn die Kirche nicht will, macht sie nichts. Das Einzige, wo man jemanden dazu bringen kann, etwas zu tun: wenn man ihm die finanziellen Mittel streicht. Nur da kann ich ansetzen, praktisch eben durch Kirchenaustritte, durch Geldentzug.
Ein Spruch der Reformation lautet, dass die Kirche immer reformiert werden muss. Also von daher: ja, ist reformierbar, und muss auch reformiert werden. Unbedingt, immer.
Und tatsächlich: Die Kirchen in Deutschland wollen einen neuen Kurs einschlagen. Eine Bischofskonferenz im März sprach sich unter anderem mehrheitlich für eine Geschlechtervielfalt in den Kirchenämtern aus. Doch ob das reicht, das Vertrauen in die Kirche zurückzugewinnen?
Kirchenaustritt – die einzige Alternative?: „Gott wäre nicht böse“
Von wochentlich.de3 Min Gelesen
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