Jung, hip, sexy: So präsentiert sich die Linke auf ihrem Parteitag in Chemnitz. Doch ihr enormes Wachstum stellt die Partei auch vor Probleme.
Die Linke ist nicht nur auferstanden von den Toten. Auf ihrem Parteitag in Chemnitz präsentiert sie sich in ganz neuem Gewand. Da feiert sie mit großer Lichtshow, lautem Rap, tanzender Parteispitze, viel „Geil“ und noch mehr „Danke“ auf der Bühne.
Ungeachtet aller Inhalte zeigt dieses Auftreten, dass die Partei erstens um ihre neue Macht bei der Jugend als Gegenpol zur AfD genau weiß. Bei der Bundestagswahl holte sie bei den 18- bis 24-Jährigen 25 Prozent der Stimmen und lief der AfD damit in dieser Altersgruppe den Rang als stärkste Partei ab.
Zweitens und wichtiger aber scheint die Linke als erste Partei neben den Rechten tatsächlich verstanden zu haben, dass es Ohrwürmer, Popkultur und eine sexy Verpackung braucht, um diese Macht zu halten und zu mehren.
Helfen wird der Partei dabei, dass die Frischzellenkur ganz natürlich auch von innen kommt. Ihre Mitgliederzahl hat sich nach eigenen Angaben in nur fünf Monaten auf 112.000 verdoppelt – ein kaum fassbares Wachstum, auf das andere Parteien neidisch blicken. Jetzt liegt der Altersdurchschnitt bei der Linken bei 39 Jahren. Im Parteienvergleich ist sie damit ein Teenager: Bei SPD und CDU sind es um die 60 und sogar bei den Grünen 49 Jahre.
Vor Herausforderungen stellt die Linke das schon jetzt: Ihr fehlen die Kapazitäten – es gibt zu wenig Arbeitsräume für die Neuen, es gilt sich zu organisieren, zu strukturieren. Und manchem Neuling muss man erst einmal die ideologischen Grundlagen der Partei erklären. Marxismus-Workshops gibt die Rosa-Luxemburg-Stiftung jetzt im Auftrag der Partei.
Klingt absurd? Für die Linke ist es Luxus und Balsam auf tiefe Wunden, die das jahrelange Streiten mit Sahra Wagenknecht und die daraus folgenden Abgänge geschlagen haben. Auch heute sprechen die führenden Funktionäre am liebsten gar nicht über Wagenknecht, sie halten es wie schon in den härtesten Phasen der Wagenknecht-Attacken gegen ihre alte Partei: zurückhalten, ignorieren.
Aber es ist für sie eine große Genugtuung, die an dem ein oder anderen Lächeln abzulesen ist: am Ende im Recht. Ihr Kurs, die Rechten konsequent zu bekämpfen und sich ihnen nicht in einigen Themen anzunähern, hat sich ausgezahlt. Die Zahlen sprechen für sich.
Eine Unsicherheit sowie ein ernstes Problem aber bleiben für die nun so verjüngte Linke bestehen. Ihr Kurs dürfte die neue Basis in den nächsten Jahren erheblich verändern. Gewachsen ist sie aber nicht nur bei den Jungen enorm, sondern gerade auch im Westen. Die meisten Mitglieder der ostdeutschen Traditionspartei, entstanden aus PDS und SED, leben nun in den alten Bundesländern.
Funktionäre wie der Sachse Sören Pellmann bekundeten am Samstag: Man werde den Osten nicht vergessen, man werde um ihn kämpfen. Ob und wie sehr die Linke aber in Zukunft die Probleme des Ostens fokussieren und dort punkten kann, ist offen. Ein erster Härtetest werden 2026 die Wahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern sein.

Deutlich greifbar war in dieser Woche hingegen ein anderes Problem in den Reihen der Partei: linker Antisemitismus und überzogene Israelkritik, die dem Staat das Existenzrecht abspricht. Heftig stritten die beiden Pole in dieser Diskussion bereits im Vorfeld des Parteitags miteinander, bekriegten und beleidigten sich in den sozialen Netzwerken.
Der Vorstand sprach zwar vorab ein Machtwort und bezog deutlich für das Existenzrecht Israels Stellung. Einen Antrag zu Palästina aber schob man auf dem Parteitag lieber erst einmal so weit nach hinten im Programm wie nur möglich. Das zeigt die Angst der Spitze vor Teilen der Basis, die in der Frage der Solidarität mit Palästina radikalisiert ist. Und die Furcht ist berechtigt: Wegen maßloser Israelkritik und Relativierungen des Terrors der Hamas hat sie fähige und prominente Politiker verloren, die aus Protest gingen.