Debatte um Bürgergeldempfänger
Warum die Arbeitspflicht für Arbeitslose nur wenig bringt
10.01.2025 – 08:09 UhrLesedauer: 3 Min.
CDU und FDP wollen Langzeitarbeitslose zum Arbeiten verpflichten. Experten warnen jedoch vor populistischen Forderungen – und einem Konflikt mit dem Grundgesetz.
Politiker der Union und der FDP haben sich für eine Arbeitspflicht für Bürgergeldempfänger ausgesprochen. Als Beispiel erklärte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, Christoph Meyer, Bürgergeldempfänger könnten Arbeiten im öffentlichen Raum übernehmen.
Wer dazu in der Lage sei, könne etwa „zur Arbeit gegen die Verwahrlosung Berlins“ herangezogen werden, sagte Meyer der „Bild“-Zeitung am Mittwoch. „Dazu zählen Reinigungs- und Hilfsarbeiten für Spielplätze, Parks oder auch Bahnhöfe“, so Meyer. Es gehe um gegenseitige Solidarität, fuhr er fort: „Wer selbst zumutbare Arbeit verweigert und vom Geld der arbeitenden Bevölkerung lebt, muss den öffentlichen Raum für alle anderen ordentlich und sauber halten.“
Zuvor hatte Thorsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, gefordert, Menschen im arbeitsfähigen Alter, die weder krank seien, noch pflegebedürftige Angehörige hätten, sollten trotz Bürgergeldbezugs arbeiten gehen. Das sagte er dem Deutschlandfunk.
Doch die Sinnhaftigkeit solcher Maßnahmen ist umstritten. Detlef Scheele, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), spricht sich im Gespräch mit der „Zeit“ gegen Arbeitsmaßnahmen wie Ein-Euro-Jobs und eine Pflicht zur Arbeit aus. Seiner Einschätzung nach seien die meisten Bürgergeldempfänger ohnehin motiviert und wollten so schnell wie möglich einen neuen Job finden.
Ein anderer Teil der Empfänger sei krank oder habe soziale Probleme. Ein Arbeitszwang käme bei ihnen nicht infrage. Der „Zeit“ zufolge sei die Gruppe der Langzeitarbeitslosen, die Jobs oder andere Maßnahmen verweigern würden und deshalb sanktioniert werden, sehr klein, es gehe lediglich um 15.777 Personen.
Scheele erklärt der „Zeit“, warum Maßnahmen wie die von FDP-Politiker Meyer geforderte Pflichtarbeit im öffentlichen Raum nicht flächendeckend umsetzbar ist: „Angenommen, man verpflichtet eine Gruppe von zwölf Arbeitslosen zu Laubarbeiten im Park – dann braucht man einen Bus für den Transport und auch einen Fahrer oder eine Fahrerin.“
Man benötige mindestens zwei Personen als Anleiter, die die Arbeiten überwachen, so Scheele, „und man braucht noch Mitarbeitende in der Verwaltung, die sich um die Vermittlung der gemeinnützigen Arbeiten kümmern“. Das sei sehr teuer und personalintensiv, erklärt der ehemalige BA-Chef.
Sven Adam ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Sozialrecht und Experte für Existenzsicherungsrecht. Dem Thinktank „Das Momentum“ erklärt er, dass eine Arbeitspflicht für Bürgergeldberechtigte rechtlich ohnehin nicht umzusetzen wäre. Denn Artikel 12, Absatz 2 im Grundgesetz besagt, dass niemand zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden darf. „Es ist verfassungswidrig“, sagt der Anwalt.
Adam kritisiert insbesondere die CDU, von der diese Forderung komme. Die Partei diffamiere die Schwächsten in unserer Gesellschaft, baue Druck auf und erzeuge Angst. Es ginge ihr nicht darum, tatsächlich staatliche Ausgaben zu senken. „Wenn die CDU die deutsche Verfassung ändern und dabei die Würde des Menschen relativieren will, sollte sie dies wenigstens ehrlich sagen.“
Bereits im Jahr 2019 habe das Bundesverfassungsgericht über die Sanktionen geurteilt. Demnach dürfe der Staat zwar sanktionieren und bestimmte Tätigkeiten anordnen, „das umfasst aber keine Arbeitspflicht für einen bestimmten Job“, erklärt Adam weiter.
Neben dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gibt es außerdem Studien, die die 2005 eingeführten sogenannten Ein-Euro-Jobs analysiert haben – unter anderem vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Demnach lag der Vermittlungserfolg der Maßnahmen oft nur im niedrigen einstelligen Bereich, oft gab es sogar so viele weitere negative Effekte, dass gleich mehrfacher Schaden eintrat.
Zum Beispiel, weil die Ein-Euro-Job-Vermittlung (und Überwachung) so viele zeitliche und personelle Ressourcen in den Jobcentern fraß. Die Folge: Den Behördenmitarbeitern fehlten die Kapazitäten, die Menschen in reguläre Jobs zu vermitteln.