Manfred Weber will eine Ukraine-Friedenstruppe unter EU-Flagge. Maybrit Illner fragt: mit deutschen Soldaten? Das bringt ihn in eine Zwickmühle.
Die Debatte um eine europäische Friedensmission in der Ukraine mit Bundeswehrsoldaten ist endgültig im Wahlkampf angekommen – zum Leidwesen von Friedrich Merz. Dass der Unions-Kanzlerkandidat eine solche Diskussion zum jetzigen Zeitpunkt als unverantwortlich bezeichnet hat, brachte Manfred Weber (CSU) am Donnerstagabend bei „Maybrit Illner“ in die Bredouille. Denn er sagte: Europa muss Soldaten zur Friedenssicherung entsenden. Also auch Deutschland?
- Manfred Weber (CSU), Chef der Europäischen Volkspartei (EVP)
- Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen), Bundestagsabgeordneter
- John Bolton, Sicherheitsexperte
- Katrin Eigendorf, ZDF-Sonderkorrespondentin
- Mariam Lau, Journalistin („Die Zeit“)
Es werde Zeit, dass „Europa Verantwortung übernimmt in diesem Konflikt. Das heißt, dass wir jetzt europäische Truppen aufstellen“, forderte der Parteivorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP) in der Talkshow. Diese Soldaten sollten sich freiwillig für die ukrainische Friedensmission unter der Europafahne melden, regte Weber an.
Das habe „einen ganz anderen Ton“, als wenn Deutschland – oder andere Länder – direkt Kämpfer entsendeten. „Bei der deutschen Frage: Vorsicht. Deshalb verstehe ich da Friedrich Merz sehr gut. Aber ich sage: Jetzt ist der Zeitpunkt, erwachsen zu werden“, unterstrich der EVP-Chef.
Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen) reagierte umgehend auf Webers Versuch, dessen Position mit der von Merz abzugleichen. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) habe sich da sehr viel klarer ausgedrückt, meinte der ehemalige Grünen-Parteichef bei „Illner“ und wollte Weber so verstanden haben: „Merz ist dagegen. Also sind wir dafür, dass die Deutschen mitgehen – aber nur, wenn sie in einem europäischen Verbund sind.“
Am Ende würden Bundeswehrsoldaten auf Friedensmission in der Ukraine trotzdem neben der europäischen auch die deutsche Flagge tragen, gab Nouripour zu bedenken. „Und bis eine europäische Armee kommt, sind wir, glaube ich, in einem ganz anderen Jahrhundert, leider Gottes.“
„Warum? Genau jetzt ist der richtige Moment, das zu machen“, wies Weber die Bedenken zurück. Er schränkte aber erneut ein: Die „deutsche Rolle“ müsse angesichts der deutschen Vergangenheit mit allen Partnern speziell diskutiert werden.
„Interessant. Sie haben ja gerade so ein flammendes Plädoyer gehalten: aber nicht die Deutschen. Was hat das mit unserem Ansehen in Europa zu tun?“, frage Illner nach. „Ich habe nicht gesagt: keine Deutschen. Wir müssen das miteinander besprechen“, erwiderte Weber. An anderer Stelle in der Talkshow bekräftigte er: „Wir werden Frieden nur bekommen, wenn wir stark sind.“
Schwäche zeigt nach Ansicht von Beobachtern hingegen gerade der russische Machthaber Wladimir Putin. Der rasche und überraschende Sturz des von ihm lange gestützten syrischen Diktators Baschar al-Assad sei für den Kreml-Chef ein enormer Imageschaden, urteilte die ZDF-Journalistin Katrin Eigendorf bei „Illner“.
Russland habe schlicht nicht mehr die militärischen Kapazitäten gehabt, eine für es wichtige Diktatur am Leben zu erhalten, sagte die Journalistin: „Es ist zusammengefallen wie ein Kartenhaus.“ Den Verfall des Rubels kommentierte sie so: „Russland zahlt jetzt endlich den Preis für diesen Krieg.“
Dass der ukrainische Angriffskrieg Russland in Syrien geschwächt hat, hat laut den Gästen bei „Maybrit Illner“ wiederum Auswirkungen auf den Kriegsschauplatz in Europa. „Wir haben gesehen, dass eine Nuklearmacht besiegbar ist“, sagte Mariam Lau von der „Zeit“. Dies sei im deutschen Wahlkampf eine wichtige Botschaft.
Allerdings stellte Eigendorf, eben zurückgekehrt aus Kiew, auch fest: „Dieser Krieg ist nicht mehr lange durchhaltbar für die Ukraine.“ Deshalb setzt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj laut der ZDF-Sonderkorrespondentin durchaus Hoffnung in den neuen US-Präsidenten Donald Trump. Denn von dessen Vorgänger Joe Biden habe er sich nicht so stark unterstützt gefühlt wie erhofft.
Allerdings dürfte die Ukraine auf Trumps außenpolitischer Agenda nicht die Nummer eins sein, mutmaßte sein ehemaliger Sicherheitsberater John Bolton. Die Prioritäten wären vermutlich zunächst die Abschiebungen illegaler Einwanderer und dann Zölle, sagte der aus Washington, D. C. zugeschaltete Experte. Vielleicht auch deshalb kam Bolton im Gespräch mit Illner zu dem Schluss, dass Trump im Grunde egal ist, wie der Ukraine-Krieg ausgeht.
Sollte Trump Putin von Verhandlungen über einen Waffenstillstand überzeugen können, würde der Republikaner aussehen wie ein Gewinner, sagte Bolton. Zugleich könne der neue US-Präsident seinerseits dem russischen Amtskollegen die Gelegenheit bieten, aus einem kostspieligen Krieg auszusteigen – und sich dauerhaft 20 Prozent des ukrainischen Staatsgebiets einzuverleiben.