Nach den Chaostagen ums „D-Day-Papier“ versucht FDP-Chef Lindner mit seinem Vertrauten Buschmann für Ruhe zu sorgen. Im Wahlkampf müssen die Liberalen nun auch auf Weihnachten setzen.
Christian Lindner wirkt matt, als er am Montagmittag in Berlin vor die Presse tritt. Die vergangenen Tage, sie sind nicht spurlos an dem FDP-Chef vorbeigegangen. Am Vorabend noch, im ARD-Talk bei Caren Miosga, wirkte er angriffslustig, offensiv. Jetzt blickt Lindner mehrfach ins Leere, schaut über die Köpfe der versammelten Journalisten hinweg, als neben ihm sein neuer designierter Generalsekretär Marco Buschmann spricht.
Hinter Lindner und seiner Partei liegen zwei brutale Wochen, von einem „Hagelschauer mit faustgroßen Hagelkörnern“ sprach er selbst noch am Sonntag im Fernsehen. Das Schlimme für ihn: Die nächste Zeit verspricht kaum Besserung.
Die FDP steckt in der vielleicht schwersten Krise der vergangenen zehn Jahre. In den Umfragen pendelt die Partei auch nach dem Ampel-Aus zwischen 4 und 5 Prozent und muss damit um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen. Für die Liberalen geht es damit um alles oder nichts.
Das Ende der bei den Deutschen so ungeliebten Regierungskoalition sollte, so die Idee, in dieser schwierigen Lage eigentlich neuen Schwung verleihen. Eingetreten jedoch ist nun das Gegenteil: Das jüngste Kommunikationsdebakel um das „D-Day-Papier“ aus der Parteizentrale, das den Fahrplan zum Ampel-Bruch skizziert hat, führte nicht nur zum Rücktritt von Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann – beides enge Vertraute von Lindner –, sondern auch zu viel größeren Fragen:
Wie glaubwürdig ist die FDP noch, wie glaubwürdig ist ihr Chef? Kann man Lindner wirklich trauen, wenn er sagt, er habe von dem Papier „keine Kenntnis“ gehabt, und was heißt das überhaupt, „keine Kenntnis“? Und die wohl entscheidende Frage: Will man einer Partei die Stimme geben, die gern das Bürgerliche und Anständige betont – bei der zugleich aber im Raum steht, dass sie (unanständig) der Öffentlichkeit etwas vorgemacht hat?
Auch wenn Lindner und seine Leute versuchen, den Fokus weg von diesen Fragen und hin zum Bruch der Ampel aus honorigen, weil wirtschaftspolitisch notwendigen Motiven zu lenken – in der öffentlichen Wahrnehmung, in den Medien, beim Volk geht es eben doch darum. Zumindest fürs Erste.
Lindner, FDP-Spitzenkandidat in spe, muss darum auf eine Art Weihnachtswunder hoffen. Der Wahlkampf ist mit bald kaum mehr 80 Tagen zwar extrem kurz. Allerdings wird er von den Feiertagen unterbrochen, einer Zeit, in der das Land innehält, in dem die Menschen mit dem auslaufenden Jahr abschließen und mit dem Jahreswechsel eher nach vorn als zurück blicken.
Viele in der Partei erwarten in diesem Sinne eine Art Jahresend-Amnestie. Auch deshalb stärken in der Breite der Partei alle dem Chef den Rücken. Der Unmut, der sich in solch einer katastrophalen Lage auch über den Spitzenmann Bahn brechen könnte, ist kaum wahrnehmbar. Nach einer kurzen Phase der Entrüstung über das D-Day-Debakel Ende vergangener Woche gilt nun wieder das Prinzip Wagenburg: Mit Lindner wird das Rennen um den Wiedereinzug in den Bundestag schon schwer genug, ohne ihn aber brauche man gar nicht erst anzutreten.
Ein Kalkül im Genscher-Haus dürfte dabei sein: Je mehr es auf den Wahltag zugeht, desto mehr wird sich die SPD, die den Liberalen in den letzten Tagen schwere Vorwürfe gemacht hat, auf ihren eigentlichen Gegner, die Union und Friedrich Merz, fokussieren. Und desto weniger interessieren sich die Wähler für den Weg zur Neuwahl als vielmehr für die Neuwahl und die politische Richtungsentscheidung selbst.
Gleichzeitig birgt genau das ein großes Risiko. Denn auch wenn es keine guten Nachrichten sind, mit denen die FDP gerade Schlagzeilen macht – sie kann in diesen Tagen immerhin noch Sendezeit abgreifen, auch um ihre inhaltlichen Punkte in Sachen Wirtschaftspolitik zu setzen. Die Gefahr: Flaut die Aufmerksamkeit ab, dringt selbst ein rhetorisch brillanter Lindner nicht mehr durch, rutschen die Liberalen vom Radar der Wähler.
Umso mehr kommt es darum auf denjenigen an, den Lindner am Montag in Berlin offiziell als seinen neuen Generalsekretär vorstellte: Marco Buschmann, 47 Jahre, Jurist, bis vor wenigen Wochen noch Justizminister, soll nun den Blitz-Wahlkampf orchestrieren.