Die AfD fordert harte Konsequenzen für Männer, die Frauen Gewalt antun. Das scheint nicht für die eigenen Parteimitglieder zu gelten, wie ein Fall in Berlin zeigt.
Es klingt nach einem deutlichen „Basta“, das die AfD-Chefin an diesem Mittwoch über den Verteiler der Partei verschicken lässt: „Migrationskrise macht Frauen zu Freiwild“, teilt Alice Weidel da in einer Mail an die Presse mit Blick auf die gestiegenen Zahlen von Gewalttaten gegen Frauen mit. Frauen müssten besser vor „geschlechtsspezifischen Angriffen“ geschützt werden. „So kann und darf es nicht weitergehen.“
Die designierte Kanzlerkandidatin der AfD bespielt damit zu einem aktuellen Anlass ein Thema, das für die AfD ein Evergreen ist: Gewalt gegen Frauen, explizit von Migranten ausgehend. Besondere Bedeutung hat es für die AfD im aktuellen Wahlkampf. Da nämlich hat die Partei das Ziel ausgerufen, mehr Frauen für sich gewinnen zu wollen – als Wählerinnen, aber auch als Funktionäre in ihren Reihen. Noch stärker als die meisten anderen Parteien nämlich ist die AfD von Männern dominiert, die Zahl der Frauen klein.
Nur wenden sie die Härte und Konsequenz, die Weidel und ihre Kollegen bei dem Thema Gewalt an Frauen gegenüber Migranten oft lautstark einfordern, nach Recherchen von t-online in der eigenen Partei nicht an. Dann gibt es offenbar kein „Basta“, im Gegenteil: Dann wird Partei für den Täter ergriffen und herrscht viel Schweigen.
Deutlich macht das der Fall des AfD-Mitarbeiters Wolfram Z. gegen Eva-Marie Doerfler. Wolfram Z. trägt in Wirklichkeit einen anderen Namen, da er aber in der Öffentlichkeit nicht weiter bekannt ist, nennt die t-online-Redaktion ihn aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes hier anders.
Z. schlug Doerfler 2022 in einer Kneipe mit der Faust ins Gesicht. Eine Woche lang konnte Doerfler danach nicht arbeiten. Das Amtsgericht Tiergarten sprach Z. im September 2023 der vorsätzlichen Körperverletzung schuldig. t-online liegt das Urteil vor.
Täter wie Opfer waren damals AfD-Mitglieder. Konsequenzen aber hatte die Gewalttat für Z. nicht. Vielmehr drängte man aus Reihen der Partei bei Doerfler darauf, den Faustschlag nicht an die große Glocke zu hängen. Bloß kein Skandal, bitte.
Z. arbeitet nach Informationen von t-online weiterhin als Referent für die AfD-Fraktion im Bundestag. Doerfler hat die Partei inzwischen verlassen. Schweigen aber will sie nicht mehr, zu sehr stört sie der Umgang der Partei mit dem Fall. Inzwischen hat sie sich auch in einem Livestream auf ihrem Instagram-Kanal dazu geäußert.
„Es ist absoluter Hohn, dass ausgerechnet die Partei, die sich selbst als ‚einzige Rechtsstaatspartei‘ bezeichnet, Recht intern nur ausübt, wenn es zur Parteilinie passt“, sagt die 38-Jährige t-online. „Das Motto ‚Opferschutz statt Täterschutz‘ wird zwar gern auf Plakaten verwendet, gilt in der AfD aber offenbar nicht.“
Tatort am 26. Februar 2022 ist die Kneipe „Zum Hecht“ im Berliner Bezirk Charlottenburg. Sie ist bekannt dafür, 365 Tage im Jahr 24 Stunden lang geöffnet zu haben. Ein Ort für jene, die noch weiter feiern wollen, wenn die meisten Bars schon ihre Türen schließen.
Wolfram Z. und Eva-Marie Doerfler waren am Abend zuvor bei einer Veranstaltung, bei der es um das damals recht neue Social-Media-Portal GETTR ging. Sie kennen sich bis dahin nur flüchtig, eher vom Namen her. Gemeinsam mit anderen ziehen sie weiter, reden und trinken Cocktails, Schnäpse, Bier. Am Ende spült es sie in den „Hecht“.
In den frühen Morgenstunden dann eskaliert die Situation. Vor Gericht werden sich die Versionen, die Doerfler und Z. über den Ablauf erzählen, erheblich unterscheiden. Das Amtsgericht Tiergarten führt sie in seinem Urteil auf: Doerfler gibt an, dass man am Tisch über politische Themen gesprochen habe, unter anderem den Ukraine-Krieg. Sie sei aufgestanden, habe zur Toilette gehen wollen. Da hätte sie den Eindruck gehabt, Z. habe etwas zu ihr gesagt. Als sie sich über den Tisch beugte, habe Z. ihr unvermittelt mit der Faust ins Gesicht geschlagen.