„Wir befanden uns im Krieg“
Historischer Coup: Als Hacker die Haspa knackten
17.11.2024 – 20:20 UhrLesedauer: 2 Min.
Computerhacker waren 1984 nur Experten ein Begriff. Das änderte sich am 17. November: Ein Angriff auf die Hamburger Sparkasse machte den Chaos Computer Club berühmt.
Das Internet, wie wir es heute kennen, war Anfang der 80er Jahre noch lange nicht erfunden. Trotzdem begann in Deutschland langsam das Zeitalter der digitalen Vernetzung: Seit dem 1. September 1983 gab es den „Bildschirmtext“ als eines der ganz frühen Onlinesysteme, abgekürzt Btx. Das System, das über die Deutsche Bundespost lief, galt als sicher. Eine besonders angepriesene Funktion war das Online-Banking.
Den Mitgliedern des Chaos Computer Clubs (CCC) war das nicht ganz geheuer. Wau Holland und sein Freund Steffen Wernéry wollten einen Weg finden, auf Schwachstellen bei Btx hinzuweisen. Und es gelang ihnen am 17. September 1984.
Die Hacker schrieben nach eigener Aussage ein Programm, das immer wieder eine kostenpflichtige Animation auf den Bildschirmen aufgerufen hat – für jeweils 9,97 Mark. Zuvor hatten sich die beiden die Zugangskennung der Hamburger Sparkasse (Haspa) zum Btx-System verschafft, sodass sie die Bezahl-Seiten des CCC auf Kosten der Bank ansteuern konnten.
13.510 Mal löste das Programm aus, fast 135.000 Mark wären in der Folge auf dem Konto des Computerclubs gelandet – der diese Überweisung allerdings nicht geltend machte. Zwei Tage nach dem Angriff auf das Haspa-Konto griff das „heute journal“ des ZDF den Coup auf. „Einbrecher müssen heute nicht mehr mit Schneidbrenner und Stemmeisen arbeiten. Sie haben es leichter, wenn sie ihren Heim-Computer benutzen“, sagte ZDF-Moderator Hans Scheicher.
Die Meldung wurde schnell als virtueller Bank-Einbruch interpretiert, obwohl es eigentlich keiner war. Holland und Wernéry hatten ja kein Online-Banking-System gehackt. Ihnen war es lediglich gelungen, mit den Btx-Zugangsdaten der Haspa ihr eigenes bezahlpflichtiges Angebot eine Nacht lang häufig hintereinander abzurufen. Wie genau die Aktion abgelaufen ist, weiß bis heute kaum jemand.
„Wenn ein System Schwächen hat, gibt es immer Leute, die versuchen, diese Informationen zu Geld zu machen“, sagte Wau Holland in dem ZDF-Beitrag. „Wir haben einfach versucht, das aufzuzeigen.“ Benno Schölermann, damals Vorstand der Haspa, wurde kalt erwischt: „Ganz ehrlich, wir hätten so etwas nicht für möglich gehalten. Wir hatten die Garantie der Post, dass unsere Zugriffsmittel zum Bildschirmtext geheim sind“, sagte er im ZDF.
„Alle haben Ende 1984 darauf gewartet, dass noch etwas passiert“, erinnerte sich Wernéry vor einigen Jahren. „Und viele Menschen haben dann ganz unterschiedliche Sachen auf uns projiziert: die Angst vor der Technik, die Sehnsucht nach der Rettung vor dem Big Brother.“
Die Aktivisten hatten aber auch eine Rechnung mit dem Lieblingsfeind Bundespost offen: „Wir befanden uns im Krieg“, sagte Wernéry. Er erinnerte daran, dass Technikfreunde sich damals noch strafbar gemacht haben, wenn sie ein Modem an das Telefonnetz anschlossen, das nicht von der Post stammte.