K-Frage in der SPD
Scholz rückt nicht von Kandidatur ab – Widerstand wächst
Aktualisiert am 17.11.2024 – 19:15 UhrLesedauer: 5 Min.
Schon früh hat Scholz seinen Anspruch auf die erneute SPD-Kanzlerkandidatur formuliert. Der Widerstand in der Partei wächst nun allerdings. Die Entscheidung dürfte in den nächsten zwei Wochen fallen.
Kanzler Olaf Scholz rückt trotz wachsenden Widerstands in der SPD nicht von seinem Anspruch auf die Kanzlerkandidatur seiner Partei bei der vorgezogenen Bundestagswahl ab. „Die SPD und ich, wir sind bereit, in diese Auseinandersetzung zu ziehen, übrigens mit dem Ziel zu gewinnen“, sagte Scholz vor dem Abflug zum G20-Gipfel in Brasilien auf die Frage, ob er unter allen Umständen auf der Kanzlerkandidatur bestehen werde.
Kurz vorher hatte der offene Widerstand in der SPD dagegen eine neue Ebene erreicht: Nach etlichen Kommunalpolitikern sprach sich mit Joe Weingarten erstmals ein Bundestagsabgeordneter öffentlich dafür aus, mit dem in den Umfragen weitaus beliebteren Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) an der Spitze in den Wahlkampf zu ziehen. Kurz darauf warb auch sein Fraktionskollege Johannes Arlt aus Mecklenburg-Vorpommern offen für Pistorius.
Der Verteidigungsminister wiederum gab Scholz erneut Rückendeckung: „Wir haben einen wirklich herausragenden Kanzler, der in einer der schwierigsten Zeiten der Republik in einer schwierigen Dreierkonstellation das Ruder in der Hand hatte. Der hat entschieden, dass er weitermachen will und die Partei wird darüber spätestens am 11. Januar entscheiden beim Parteitag“, sagte Pistorius am Sonntagabend in der ARD. Er gehe „nach wie vor fest davon aus, dass Olaf Scholz nominiert werden wird“.
Eine Kandidatur des Verteidigungsministers wäre ohnehin nicht möglich, ohne dass Scholz einen Rückzieher macht. Der hatte seinen Anspruch bereits im Juli erklärt, als der Bruch der Ampel-Koalition noch weit weg war: „Ich werde als Kanzler antreten, erneut Kanzler zu werden“, sagte er damals. Mit seinem Vorhaben, die Ampel-Koalition zu einem Projekt für mehr als eine Wahlperiode zu machen, ist er nun vorzeitig gescheitert. Und aus dem Umfragetief mit Werten deutlich unter 20 Prozent kommt die SPD mit ihm als Kanzler seit Monaten nicht heraus. Der Rückstand zur Union beträgt derzeit 16 bis 18 Prozentpunkte.
Parteivorstand zögert bei Nominierung
Die Parteispitze steht zwar hinter dem Kanzler und hat wiederholt ihre Unterstützung für ihn betont. Auch nach der Entscheidung für eine Neuwahl am 23. Februar hat sie aber zunächst darauf verzichtet, ihn zu nominieren – und damit die Kandidatendebatte mit ermöglicht. Von den Befürwortern eines Kanzlerkandidaten Scholz wurde die Unterstützung für Pistorius bisher in der dritten und vierten Reihe verortet und kleingeredet. Joe Weingarten und Johannes Arlt sind nun die ersten Bundestagsabgeordneten, die sich aus der Deckung wagen.
„Es ist meine klare Meinung, dass wir mit Boris Pistorius in den Wahlkampf ziehen sollten“, sagte Weingarten der „Süddeutschen Zeitung“. „Er hat die Tatkraft, die Nähe zu den Menschen und die Fähigkeit, auch in klarem Deutsch zu sagen, was zu tun ist. Und das braucht unser Land jetzt.“ Weingarten gehört in der Bundestagsfraktion dem konservativen Seeheimer Kreis an. Sein Fraktionskollege Arlt sagte dem „Tagesspiegel“, Pistorius wäre ein hervorragender SPD-Kanzlerkandidat. „Meiner Meinung nach ist er bestens geeignet, unsere Partei in den Wahlkampf zu führen.“
Vor ihm hatte sich bereits eine Reihe von Kommunalpolitikern offen für Pistorius ausgesprochen. Die Stimmung in der Partei spreche klar für einen Wechsel, sagte zuletzt der Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Bochum, Serdar Yüksel, dem „Stern“. „Wenn Sie in der SPD die Mitglieder befragen würden, wären 80 Prozent für Pistorius.“ Ob Scholz noch einmal antrete, sei auch nicht allein seine persönliche Entscheidung. „Es geht jetzt um die Frage, ob die SPD überlebt.“
Die SPD-Spitze versucht seit Tagen vergeblich, gegen die anschwellende Debatte anzureden. „Olaf Scholz ist der Kanzler. Und alle, die in der SPD Verantwortung tragen, haben in den letzten Tagen auch deutlich gemacht, dass wir hinter ihm stehen“, sagte Parteichef Lars Klingbeil auch am Wochenende wieder am Rande einer SPD-Veranstaltung in Essen. Für die SPD sei es nun wichtig, „dass wir uns inhaltlich auseinandersetzen mit dem Bundestagswahlkampf, aber nicht über Personal diskutieren“.
Im „Handelsblatt“ warnte Klingbeil davor, einen Kandidatenwechsel als Erfolgsgarantie zu sehen. Es sei „ein Irrglaube zu meinen, man tauscht nur den einen gegen den anderen aus und schon ist alles rosig, blüht und gedeiht.“ Zudem habe Pistorius selbst gesagt, dass er möchte, dass Scholz antrete. „Insofern gibt es eine Klarheit auch zwischen den beiden. Da gibt es kein Wackeln.“