Die Grünen wollen aus der Krise am liebsten direkt ins Kanzleramt. Die Partei schwört sich auf dem Parteitag auf schwierige Kompromisse ein. Die beginnen schon beim neu gewählten Bundesvorstand.
Felix Banaszak hat an diesem Samstag zwei Botschaften für die Grünen mitgebracht. Für die Partei, die er künftig mit Franziska Brantner als Vorsitzender anführen will.
Die eine Botschaft soll Robert Habeck den Rücken stärken. Dem Mann, den die Grünen am Sonntag zu ihrem Kanzlerkandidaten machen wollen. Die andere Botschaft ist eher das Gegenteil davon, sie ist eine kleine Warnung an ihn.
Als Felix Banaszak am Mittag auf der Bühne des Grünen-Parteitags steht, klingt die erste Botschaft so: „Wir werben dafür, weiter Zukunft zu machen, weiter zu regieren.“ Das wird Robert Habeck gefallen haben, dafür tritt er an. Aber da ist eben noch Banaszaks zweite Botschaft. Und die geht so: Er wolle Vorsitzender einer Partei werden, sagt Banaszak, „die weiß, wer sie ist“ und sich „nicht nur als Korrektiv einer Regierung“ oder „ihre ausgelagerte Pressestelle“ verstehe, sondern „als ihr Motor“.
Ohne deine Partei, lieber Robert, geht’s nirgendwo hin. So muss man das verstehen.
Es sind zwei Botschaften, die die Stimmung vieler Grüner in diesen Zeiten wohl gut zusammenfassen. Banaszak wird mit 92,9 Prozent gewählt. Für Franziska Brantner stimmen 78,2 Prozent. Sie führen nun eine Partei in einen Turbo-Wahlkampf, die von den vielen Kompromissen in der Ampelregierung wundgescheuert ist.
Wie kompliziert das wird, hat sich schon in den vergangenen Wochen angedeutet. In den Wochen nämlich, in denen intern der sechsköpfige Bundesvorstand zusammenverhandelt wurde, der an diesem Samstag auf dem Parteitag offiziell gewählt wird.
Herausgekommen ist ein großer Kompromiss, mit dem zwar hinter vorgehaltener Hand niemand so richtig zufrieden ist. Der aber zumindest dazu geführt hat, dass sich die Partei nicht schon deshalb zerlegt, weil sich Realos oder Parteilinke übervorteilt fühlen, also die wieder mächtig gewordenen Parteiflügel der Grünen.
Es war anders geplant
Eigentlich war nämlich alles etwas anders geplant. Robert Habeck und seine Leute hatten seine Vertraute und Realo-Kollegin Franziska Brantner früh als Politische Bundesgeschäftsführerin ins Spiel gebracht. Brantner, 45 Jahre alt, gilt als durchsetzungsstark, klug und in der Partei gut vernetzt.
Brantner sollte für Habeck aus der Parteizentrale heraus den Wahlkampf organisieren. Sie sollte seine Vertretung in der Bundesgeschäftstelle der Grünen sein, die einige seiner Leute schon lange für nicht gut aufgestellt hielten.
Doch dann kam alles anders. Ricarda Lang und Omid Nouripour traten nach einer Serie an Wahlniederlagen zurück. Und plötzlich hatte Franziska Brantner die Chance, gleich Parteichefin zu werden. Das wollte sie eigentlich schon beim letzten Mal. „Make Green Great Again“, ruft sie an diesem Samstag dem Parteitag zu. Und redet sonst viel über das Herzensthema der Parteilinken, die soziale Gerechtigkeit: „Den Gürtel enger schnallen bringt halt nichts, wenn die Hose schon fehlt.“
Brantner weiß natürlich, dass sie die Linken noch überzeugen muss. Denn die waren mehr als skeptisch, als ihr Name das erste Mal für den Parteivorsitz fiel. Von „Habecks Sprachrohr“ war schnell die Rede. Mancher spielte mit dem Gedanken, Brantner sogar zu verhindern. Die Parteilinken waren besorgt, dass der Ober-Realo Habeck die Sache jetzt „durchzocken“ wolle, also mit seiner Vertrauten den linken Flügel ausbooten und die Partei nach seinen Vorstellungen umbauen würde.
Ein linkes Gegengewicht musste her. Dass der zweite Parteivorsitzende wieder aus dem linken Flügel kommen sollte, war ohnehin klar: Es wurde Felix Banaszak, 35 Jahre alt. Ein Parteilinker, der den Konflikt mit den Realos nicht scheut, aber erfolgsorientiert ist. So lauteten die Argumente für ihn.