Eine Reform der Schuldenbremse könnte der Bundesregierung mehr Kreditspielraum bringen. Doch wie funktioniert das Instrument überhaupt?
Die Bundesregierung plagen Finanzsorgen. Der Bedarf an Investitionen ist riesig – allein schon für den Umbau auf klimafreundliche Technologien. Doch für viele Lösungen gibt es keine politische Mehrheit. So ist es auch bei der Reform der Schuldenbremse, die einige für einen Ausweg aus der Finanzmisere halten.
Wir erklären, wie dieses Instrument funktioniert, wie die Schuldenbremse mit der „Schwarzen Null“ zusammenhängt und ob sie überhaupt noch sinnvoll ist.
Die Schuldenbremse ist eine Regel, die gewährleisten soll, dass sich Deutschland nicht überschuldet. Überschuldung würde bedeuten, dass der Staat seine laufenden Ausgaben dauerhaft nicht mehr zahlen kann, dazu gehören auch Kreditzinsen. Schulden durch neue Schulden zu finanzieren, soll verhindert werden.
Die Schuldenbremse besagt, dass der Bund nur neue Schulden in Höhe von maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen darf. Die erlaubte Neuverschuldung ist also von der Wirtschaftslage Deutschlands abhängig.
Im Grundgesetz gibt es die Bezeichnung „Schuldenbremse“ jedoch gar nicht, es ist nur der landläufige Name für zwei Regelungen in den Artikeln 109 und 115.
Hintergrund der Schuldenbremse war unter anderem der hohe Stand der Staatsverschuldung nach der Finanzkrise 2008/2009. Deshalb wurde das Grundgesetz 2009 geändert. Diese Änderung trat 2011 in Kraft.
Anschließend galten noch Übergangsregelungen. Für den Bund gilt die Schuldenbremse seit 2016, für die meisten Bundesländer erst seit 2020.
Ist die Schuldenbremse nur ein anderes Wort für die „Schwarze Null“?
Nein. Die sogenannte „Schwarze Null“ geht noch über die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse hinaus. Die „Schwarze Null“ ist die Idee, dass der Bund nicht mehr ausgeben darf, als er Einnahmen hat – sodass es keine neuen Schulden gibt.
Die Schuldenbremse als Instrument lässt noch einen Spielraum von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Neuverschuldung zu.
Der zentrale Unterschied: Während die Schuldenbremse im Grundgesetz geregelt ist, gilt die „Schwarze Null“ nur als politische Richtlinie. Seit Deutschland unter Finanzminister Wolfgang Schäuble 2014 das erste Mal einen ausgeglichenen Haushalt erreichte, hielt man an der Regel fest. Nur während der Corona-Pandemie wich man von der „Schwarzen Null“ ab.
Ja. In Artikel 109 des Grundgesetzes heißt es, dass Bund und Länder „Regelungen der Auswirkungen einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung“ vorsehen könnten. Dies ist auch möglich bei „Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“.
Im Klartext bedeutet das: Der Bund darf sich über den Normalfall von 0,35 Prozent des BIP hinaus verschulden – wenn die Situation es erfordert. In der Corona-Krise wurde von dieser Ausnahmeregel Gebrauch gemacht. Für die Bundesländer regeln jeweils eigene Landesgesetze die Details.
Eine Umwidmung von Krisenkrediten, wie es die Bundesregierung im Haushalt 2021 getan hat, ist laut dem Bundesverfassungsgericht aber nicht erlaubt. Die 60 Milliarden Euro waren genehmigt worden, um die Folgen der Corona-Pandemie zu bewältigen. Sie sollten nach dem Willen der Ampelkoalition aber für Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Dass diese im Klima- und Transformationsfonds seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr zur Verfügung stehen, liegt daher auch an der Schuldenbremse.
Die Mehrheit des Bundestags muss einer Aufhebung der Schuldenbremse zustimmen. Nötig dafür ist die sogenannte „Kanzlermehrheit“, also die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages – und nicht nur die Mehrheit der bei der Abstimmung anwesenden Parlamentarier.
Nein, das ist nicht ohne Weiteres möglich. So heißt es in Artikel 115 des Grundgesetzes: „Der Beschluss ist mit einem Tilgungsplan zu verbinden.“ Um die Schuldenbremse abzuschaffen, oder dauerhaft außer Kraft zu setzen, muss die Regierung also erklären, wie sie die Kredite, die sie aufnimmt, wieder zurückzahlen will. Denn: „Die Rückführung der aufgenommenen Kredite hat binnen eines angemessenen Zeitraumes zu erfolgen.“
Darüber streiten sich Ökonomen, Politiker und Gewerkschaften. Die Gegner der Schuldenbremse führen vor allem das Argument an, dass Investitionen durch die Schuldenbremse verhindert werden. Verfechter der Schuldenbremse geben dagegen an, dass die Schuldenbremse für Generationengerechtigkeit sorgt. Denn eine hohe Staatsverschuldung würde die kommenden Generationen sehr belasten.
Ende Januar regte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, besser bekannt als die „Wirtschaftsweisen“, eine Lockerung der Schuldenbremse an. Die Schuldenregel sei unnötig restriktiv, sagte Monika Schnitzer, die Vorsitzende.