Bei Sandra Maischberger tobte der Kampf um die Deutungshoheit über das Ampel-Aus. Auch der Zeitpunkt für Olaf Scholz’ Vertrauensfrage war umstritten.
„Ich bin ja hier nicht die Schiedsrichterin“, versuchte Annalena Baerbock die Frage der Moderatorin nach dem Schuldigen für den Bruch der Ampelkoalition zunächst abzublocken. Als Sandra Maischberger aber nachhakte, erläuterte die Außenministerin doch ihre Sicht der Dinge: „Jeder trägt sein Päckchen, aber jeder hatte auch eine Verantwortung. Und einer wollte diese Verantwortung (…) nicht mehr wahrnehmen, das war Christian Lindner. Ich finde, man rennt vor Verantwortung nicht weg.“
Den Einwurf der Gastgeberin, dass der Finanzminister ja nicht hingeworfen habe, sondern vom Kanzler entlassen wurde, wollte sie nicht gelten lassen: „Es ist ja nicht so, dass wir gestern zum ersten Mal über diesen Haushalt gesprochen haben“, entgegnete die Grünen-Politikerin.
- Annalena Baerbock (B’90/Grüne), Bundesaußenministerin
- Lars Klingbeil (SPD), Parteivorsitzender
- Markus Söder (CSU), bayerischer Ministerpräsident (zugeschaltet)
- Christian Dürr (FDP), Fraktionsvorsitzender im Bundestag
- Matthias Deiß, stellvertretender Leiter des ARD-Hauptstadtstudios
- Helene Bubrowski, stellvertretende Chefredakteurin von Table.Briefings
- Claus Strunz, Chefredakteur von Euronews
Vor dem Hintergrund eines drohenden Ausfalls der USA bei der Ukraine-Unterstützung führte sie an, dass der FDP-Chef den (Ex-)Koalitionspartnern zugesagt hatte, nach den US-Präsidentschaftswahlen noch einmal über die Möglichkeit zu sprechen, eine Notlage auszurufen und die Schuldenbremse auszusetzen. Dazu sei er aber nicht mehr bereit gewesen.
Baerbock äußerte die Hoffnung, künftig gemeinsam mit der Union Beschlüsse fassen zu können, schließlich sei das beim 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr auch gelungen. Davon konnte sie auch Sandra Maischbergers Einwand nicht abbringen, dass Oppositionsführer Friedrich Merz eine mögliche Kooperation an die Bedingung geknüpft hat, dass Olaf Scholz die Vertrauensfrage nicht erst im Januar, sondern sofort stellt. „Friedrich Merz hat nicht gesagt: ‚Never ever rede ich mit denen‘“, so Baerbock.
Den vom Kanzler avisierten späten Zeitpunkt verteidigte die Außenministerin: „Der Bundeskanzler entscheidet das alleine für sich“, erklärte Baerbock, so sei es im Grundgesetz vorgesehen. „Herr Trump ist ja auch erst im Januar im Amt“, ergänzte sie, bis dahin gehe es um einen „geordneten Übergang“.
Ganz ähnlich klang im zweiten Einzelgespräch des Abends Lars Klingbeil: Auch der SPD-Vorsitzende wies dem FDP-Chef die Schuld am Scheitern der Ampelkoalition zu („Jeder hat gespürt, dass Christian Lindner nicht mehr will“), auch er verteidigte den Januar-Termin und appellierte an die Verantwortung der Union, in Sachfragen zusammenzuarbeiten.
Nicht recht einlassen auf diese Deutung mochte sich das journalistische Kommentatoren-Panel. Es sei zwar richtig von Olaf Scholz gewesen, „den Schlussstrich zu ziehen“, aber ein Fehler, nicht sofort die Vertrauensfrage zu stellen, monierte Euronews-Chef Claus Strunz. „Da schimmert Bürgerverachtung durch“, fand der ehemalige „Bild“-Journalist.
Helene Bubrowski beurteilte das Konzept eines geordneten Übergangs mit einer Minderheitsregierung ebenfalls kritisch, und Matthias Deiß vermutete, dass der Kanzler die Vertrauensfrage bewusst verzögere, um im Amt Wahlkampf zu führen.
Aber natürlich ließ Sandra Maischberger auch die politische Gegenseite zu Wort kommen. „Geordneter Übergang heißt nicht Verlängerung für Olaf Scholz“, stellte der aus München zugeschaltete Markus Söder klar. Der bayerische Ministerpräsident plädierte nach dem „Scheitern mit langer Ansage“ für „eine rasche Vertrauensfrage und rasche Neuwahlen“.
Für die vorher geäußerten Kooperationsappelle hatte er nur Spott übrig: Falls die Rest-Ampel noch Zurückweisungen an der Grenze und Steuersenkungen beschließen wolle, würde die Union sicher zustimmen. Auch für ein Eindampfen des Bürgergelds oder eine Abschaffung des Heizungsgesetzes sei man zu haben, witzelte der CSU-Chef.