Schwere Vorwürfe gegen einen Mann aus München: Es geht um sexuellen Missbrauch, Zwangsprostitution und Menschenhandel. Vor dem Landgericht hat der Prozess begonnen.
Der Fall der fünfjährigen Anna ist nur einer von zahllosen, die an diesem Vormittag im Gerichtssaal B177 des Münchner Strafjustizzentrums in all ihren furchtbaren Einzelheiten geschildert werden. An einem Wochenende im März 2023 lädt Layla S.* (*alle Namen geändert) eine Freundin und deren Tochter zu einem Wochenendtrip nach München ein.
Im Hotel angekommen, schickt die 31-Jährige die Mutter zur Massage. Sie werde sich um Anna kümmern, wie sie versichert. Tatsächlich aber bringt Layla S. – und dafür wird sie später 1.800 Euro erhalten – das Kind nach Pullach bei München, ins Haus von Hartmut A., wo dieser das Mädchen sexuell missbraucht.
Für den 81-Jährigen ist es weder das erste noch das letzte Verbrechen dieser Art – zumindest laut der Anklageschrift, die am Landgericht München I verlesen wird. Der gut 50-minütige Vortrag, der weder die Details der zahllosen Missbrauchsfälle noch die niederträchtige Ausdrucksweise des Angeklagten in Bezug auf seine Opfer ausspart, ist für Zuhörer nur schwer zu ertragen.
Hartmut A. nimmt die Schilderungen ohne sichtliche Regung hin – die Arme auf dem Tisch verschränkt, der Blick ins Leere gerichtet. Dem 81-Jährigen werden schwerer sexueller Missbrauch von Kindern sowie der Besitz von kinderpornografischen Fotos und Videos vorgeworfen. Zudem muss er sich wegen versuchter Anstiftung zur Zwangsprostitution verantworten, weil er im Internet nach Frauen suchte, die ihm ihre Kinder für mehrere Tausend Euro zum Missbrauch zur Verfügung stellen.
Zwei Meter von dem Rentner entfernt sitzt am anderen Ende der Anklagebank Layla S. Sie ist jene 31-Jährige, die neben Anna auch noch weitere Mädchen gegen Bezahlung an Hartmut A. vermittelt haben soll – wohl wissend, dass dieser sie sexuell missbrauchen wird. Layla S. ist ebenfalls wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern angeklagt. Dazu kommen Menschenhandel, Zwangsprostitution und Erpressung.
Unter anderem erzählt sie davon, wie sie in Niedersachsen als Junge aufgewachsen sei und bis vor einigen Jahren als Mann gelebt habe, ehe sie ihr Geschlecht wechselte. Heute bezeichne sie sich als trans Frau, sagt Layla S. Zu den vorgeworfenen Taten wolle sie sich nicht äußern, erklärt ihre Anwältin.
Die 31-Jährige soll laut Anklageschrift die Taten des Hartmut A. heimlich gefilmt haben, um ihn zu erpressen. Und tatsächlich bezahlte dieser – aus Angst, die Aufnahmen würden veröffentlicht – fast 200.000 Euro an Layla S. An Geld fehlte es dem 81-Jährigen aus Pullach offenbar nicht.
Inwiefern Hartmut A. im Gericht etwas zu seiner Person oder zur Sache sagen wird, lassen seine Anwälte am ersten Prozesstag offen. Sie stellen vielmehr einen Antrag, der sich gegen die Besetzung der Kammer richtet. In der Begründung ist von einem „besonderen Näheverhältnis“ zwischen einem Richter, einer Richterin, einer beteiligten Staatsanwältin und einer Sachverständigen die Rede.
Zudem bemängeln die Anwälte, dass sich die Kammer mit einer wichtigen Zeugin „nicht kritisch genug auseinandergesetzt“ habe. Über den Befangenheitsantrag wird nun eine andere Strafkammer des Landgerichts entscheiden. Nach derzeitigem Plan soll der Prozess nächste Woche fortgesetzt werden. Insgesamt sind noch 33 Verhandlungstermine angesetzt. Ein Urteil könnte demnach Anfang kommenden Jahres fallen.