Denn die K-Frage ist auch jetzt noch nicht endgültig gelöst. Ausgerechnet Franz Müntefering, der beliebteste noch lebende Ex-Parteichef, hatte sie aufgeworfen. Und das, obwohl Scholz sich vor der Sommerpause schon quasi selbst gekürt hat: „Ich werde als Kanzler antreten, erneut Kanzler zu werden.“ Eine Woche vor der Wahl brachte dann der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter Verteidigungsminister Boris Pistorius öffentlich als möglichen Kanzlerkandidaten ins Spiel – und sprach damit aus, was viele in der SPD denken. Denn kein SPD-Spitzenpolitiker ist bei der Bevölkerung so beliebt wie der 64-jährige Niedersachse.
Der Wahlsieg Woidkes wird Scholz nun wohl etwas Luft verschaffen. Aber er ist jetzt quasi Kanzler auf Bewährung. Die Partei erwartet, dass er seine Moderatorenrolle in der Koalition ablegt und liefert. Und zwar sozialdemokratische Inhalte: Rentenpaket, Tariftreuegesetz, Schutz von Industriearbeitsplätzen. Alles Themen mit Konfliktpotenzial in der Ampel. „Die Partei ist unzufrieden, wie wir bundespolitisch dastehen. Ja, es gibt einen enormen Druck“, sagte Klingbeil schon vor der Wahl.
Aber auch die beiden kleineren Ampel-Partner gehen nun ziemlich angeschlagen in das letzte Jahr vor der Bundestagswahl. Die FDP scheiterte nach ihren desaströsen Ergebnissen in Sachsen und Thüringen mit 1,1 und 0,9 Prozent erneut überdeutlich an der 5-Prozent-Hürde. Die Grünen – bisher zweistellig und Regierungspartei – mussten am Abend stundenlang um den Verbleib im Landtag bangen. Am Ende war klar, dass sie nicht in den neuen Landtag einziehen.
Der Koalition stehen nun schwere Wochen bevor. Bis Ende November muss der Haushalt 2025 auf die Beine gestellt werden. Wenn die Ampel über diese Hürde kommt, dann stehen die Chancen ganz gut, dass sie bis zum regulären Wahltermin 28. September 2025 durchkommt. Es kann aber auch anders kommen. Manchmal bedeute Mut, trotz Kontroversen in einer Koalition zu bleiben, orakelte Finanzminister Christian Lindner (FDP) kürzlich in der „Rheinischen Post“. „Manchmal bedeutet Mut aber auch, ins Risiko zu gehen, um neue politische Dynamik zu schaffen.“