160 Jahre Seenotretter
Von der Hosenboje zur Hightech-Flotte
18.05.2025 – 14:24 UhrLesedauer: 3 Min.
Sie sind nicht wegzudenken an der deutschen Küste: die Seenotretter. Heute fahren sie mit Hightech-Booten raus. Doch vor 160 Jahren sah das noch ganz anders aus.
Ob Wattwanderer, Segler oder Angler: Wer vor der deutschen Küste in Not gerät, kann auf die Seenotretter zählen. Seit 160 Jahren sind die Crews der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) rund um die Uhr im Einsatz. In diesem Jahr feiern die Seennotretter ihr 160-jähriges Bestehen – ein Blick zurück und in die Zukunft.
Vor der Gründung der DGzRS gab es nur vereinzelt Hilfe für Schiffbrüchige. Viele Küstenbewohner waren selbst arm, hatten keine Ausrüstung – und hofften insgeheim auf angespülte Waren. „Von daher gab es auch kein großartiges Interesse an Überlebenden nach Schiffskatastrophen“, sagt DGzRS-Sprecher Christian Stipeldey.
Nach mehreren schweren Unglücken mit vielen Toten wollten Adolph Bermpohl und Carl Kuhlmay das nicht mehr hinnehmen. 1861 gründete Georg Breusing in Emden den ersten Verein. Wenige Jahre später, am 29. Mai 1865, wurde die DGzRS in Kiel ins Leben gerufen, heute haben die Seenotretter ihren Hauptsitz in Bremen.

Die Gründer mussten Überzeugungsarbeit leisten: Es fehlte an Geld, Freiwilligen und geeigneter Technik. Besonders an der Ostsee dauerte es, bis sich regionale Rettungsstationen etablierten. Die ersten Boote kamen aus dem Ausland, waren aber zu schwer für den Einsatz im Dünensand. Die DGzRS begann daraufhin mit eigenen Entwicklungen.
Schon früh unterschieden sich die Boote der DGzRS: Luftkästen und Klappen sorgten dafür, dass Wasser schnell abfloss. Die Boote lagen in Schuppen und wurden bei Alarm mit Pferdewagen ans Ufer gebracht.
Ab 1911 kamen Motoren zum Einsatz, ab 1957 mit der „Theodor Heuss“ der erste moderne Kreuzer mit Tochterboot. Heute sind die Schiffe selbstaufrichtend und deutlich robuster. „Das sind Vollkunststoffboote, die bestehen aus demselben sehr widerstandsfähigen Kunststoff wie ein Bobbycar“, erklärt Stipeldey.
- Exklusive Einblicke: Seenotretter kommen mit Doku-Serie erstmals ins Fernsehen
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt zudem: Einsätze wurden früher, wenn möglich, vom Land aus umgesetzt. Bis nach dem Ende des Ersten Weltkriegs setzten Seenotretter alles daran, Schiffbrüchigen vom Land aus zu helfen. Ihr Werkzeug: eine Rakete mit einer Leine, die sie in Richtung des havarierten Schiffs schossen. Daran befestigt war eine sogenannte Hosenboje – ein Rettungsring mit eingenähter kurzer Hose. Wer in Seenot geriet, stieg in die Hose und wurde an Land gezogen.
Doch nicht immer gelang diese Art der Rettung. Wenn das Wetter zu rau war oder das Schiff zu weit entfernt, blieb nur eine Option: das Ruderboot. Zehn bis zwölf Männer zogen dann Ölzeug und Korkwesten über und kämpften sich gegen Wind und Wellen hinaus aufs Meer. Oft stundenlang – manchmal tagelang. „Alle wurden bis auf die Haut nass“, erinnert sich DGzRS-Sprecher Ralf Stipeldey. „Das war nicht nur extrem kräftezehrend, sondern auch lebensgefährlich.“

Die DGzRS verzeichnet bislang rund 200 Ruderrettungsboote, 70 Motorrettungsboote, 50 Kreuzer mit Tochterboot und 90 Seenotrettungsboote. Ausgemusterte Schiffe werden verkauft – etwa an Museen oder die Offshore-Industrie.
Rund 2.000 Einsätze fahren die Seenotretter heute pro Jahr. Dabei helfen sie etwa 3.000 bis 3.500 Menschen – darunter auch Kranke und Verletzte oder Menschen mit technischen Problemen. Seit ihrer Gründung haben sie über 87.300 Menschen gerettet.
Doch es gibt auch tragische Seiten: 45 Seenotretter kamen bei Einsätzen ums Leben. Der letzte Todesfall war am 2. Januar 1995, als zwei Retter beim Unglück der „Alfried Krupp“ ihr Leben verloren. Seit 1954 wurden zudem 14 Kinder an Bord geboren.
Früher waren es oft Fischer oder Lotsen, heute sind es auch ausgebildete Kapitäne oder Freiwillige mit ganz anderen Berufen. Aktuell zählt die DGzRS 800 Ehrenamtliche und 180 Festangestellte. Auch Frauen sind zunehmend dabei: Mehr als 100 Seenotretterinnen gehören inzwischen zur Crew.